Gedanken zur Klärung des Begriffs verfolgte Christen
Mehr und mehr kommt die Frage von Christenverfolgung in den Blick politischer Diskussionen und öffentlicher Diskurse. Um den Betroffenen gerecht zu werden, ist der präzise Gebrauch entsprechender Begrifflichkeiten notwendig.
Was hat man unter Christenverfolgung zu verstehen?
Als Christenverfolgung bezeichnet man eine systematische, gesellschaftliche und/oder staatliche Benachteiligung und existenzielle Bedrohung von Christen aufgrund ihres Glaubens. Man kann also nur dann von Christenverfolgung sprechen, wenn Christen gesellschaftliche und/oder staatliche Benachteiligung erfahren, die systematisch, also planmäßig erfolgt. Zudem kann dann von Christenverfolgung gesprochen werden, wenn Christen aufgrund ihres Glaubens existenzielle Bedrohung erfahren. Neben diesen grundsätzlichen Erwägungen ist es aber auch wichtig, keine pauschalen Festlegungen vorzunehmen, sondern möglichst konkrete Aussagen zu machen.
Der Christ, der in einem Ort in Orissa in die Berge fliehen musste, weil man danach trachtete ihn umzubringen, ihn auf der Flucht totzuschlagen, dem die Lebensgrundlagen entzogen sind und der sich auf Grund der Umstände auch andernorts in seiner Heimat keine neue Lebensgrundlage schaffen kann, noch nicht einmal im Wald Brennholz sammeln darf, ist nicht nur Diskriminierung, Bedrohung, Belästigung, Beunruhigung, Drangsalierung oder Schikanierung ausgesetzt, sondern tatsächlich Opfer von Verfolgung.
Der Christ, dem staatliche Papiere (zum Beispiel Ausweise) vorenthalten werden, der nicht die gewünschte Ausbildung machen kann weil er Christ ist, der nicht frei seinen Arbeitsplatz wählen kann weil er Christ ist, der seinem Kind nicht den gewünschten christlichen Taufnamen geben kann ... ist Opfer einer unter Umständen massiven Diskriminierung, also einer Ungleichbehandlung. Ungeachtet dessen ist ein Christ, der Opfer von Diskriminierungen der beschriebenen Art ist, aber nicht per se verfolgt.
So hat sich etwa der Erzbischof von Khartum, Sudan, Kardinal Zubeir Wako im Hinblick auf die Lage der christlichen Sudanesen, immer wieder gegen eine Klassifizierung der Situation als Verfolgungssituation gewandt. Die Beschreibung der Situation wird mit dem englischen Begriff harrasment - Bedrohung, Belästigung, Beunruhigung, Drangsalierung, Schikanierung beschrieben.
Unter Religionsfreiheit verstehe er, Magnis-Suseno, "dass niemandem in seinem Gewissen, in der Wahl und der Ausübung seiner Religion Zwang angetan werden darf". 95 Prozent der Christen in Indonesien könnten ihre Religion völlig frei ausüben. Religionswechsel, auch vom Islam zum Christentum, seien im Prinzip unproblematisch "und finden auch tatsächlich statt", so der Jesuit." Schwieriger werde es, Kirchen zu bauen, sagt er: "Es gibt muslimische konservative Gruppierungen, die systematisch versuchen, Gottesdienste in nicht genehmigten Räumlichkeiten - notfalls mit Gewaltandrohung - zu unterbinden."
Situation konkret benennen
Wir müssen die jeweilige Situation konkret benennen: Diskriminierung als Diskriminierung, Bedrohung als Bedrohung, Belästigung als Belästigung, Beunruhigung als Beunruhigung, Drangsalierung als Drangsalierung und Schikanierung als Schikanierung.
Und genau so sollten wir - ohne Wenn und Aber - nur eine systematische, gesellschaftliche und/oder staatliche Benachteiligung und existenzielle Bedrohung von Christen aufgrund ihres Glaubens als Christenverfolgung beschreiben.
Eine einseitige Politisierung der Verfolgung der Christen durch andere trägt nicht zur Lösung der Konflikte bei, sondern kann sie weiter anheizen und die Lage der Christen weiter verschlechtern.