Laudato si' – über die Sorge für das gemeinsame Haus
Grundlegendes
Die Kirche stärkt durch die Enzyklika den Geist der Transformation: Basierend auf dem Verständnis der Schöpfung als unser gemeinsames Haus, wie es der Hl. Franz von Assisi darlegt, rufen wir zu einem transformativen Wandel auf, welcher allen Menschen ermöglicht ein Leben in Würde zu führen und welcher die Übernahme von Verantwortung auf allen Ebenen benötigt – international, lokal und individuell.
Die Rolle der Kirche war und ist nach wie vor sich Themen wie dem Klimawandel aus dem Blickwinkel der gesamten Menschheit anzunehmen. Sie fungiert dabei als moralischer Kompass welcher Menschen auf der ganzen Welt motiviert, das Richtige zu tun und über die Auswirkungen ihrer Entscheidungen auf die Ärmsten und gefährdetsten Menschen nachzudenken.
Wir prangern den fehlenden politischen Willen an, die Richtung einer transformativen Änderung einzuschlagen und die Gründe für den Klimawandel, welche in unseren zukunftsgefährdenden wirtschaftlichen und sozialen Entscheidungen liegen, anzupacken. Wir betonen die dringende Notwendigkeit von Politikerinnen und Politikern sowie auch Menschen aller Generationen und Gemeinschaften aktiv zu werden und wir unterstützen bereits bestehende Alternativen.
Schwerpunkte
Papst Franziskus spricht mit seinem lange erwarteten Rundschreiben die enge Verbindung von sozialer und ökonomischer Armut und der Verschlechterung der Umwelt an. Er zeigt auf, dass soziale und ökologische Ungerechtigkeiten Hand in Hand gehen. Der Klimawandel wird in Relation zu Armut und Ungleichheit gesetzt und gemeinsam als zentrale Herausforderungen unserer Zeit benannt. Das Rundschreiben von Papst Franziskus ist somit weit mehr als eine „Umwelt-Enzyklika“.
„Wir kommen jedoch heute nicht umhin anzuerkennen, dass ein wirklich ökologischer Ansatz sich immer in einen sozialen Ansatz verwandelt, der die Gerechtigkeit in die Umweltdiskussionen aufnehmen muss, um die Klage der Armen ebenso zu hören wie die Klage der Erde.“ (§49, Hervorhebungen im Original)
Globale Ungleichheit und Ungerechtigkeit
Die Klimakrise ist letztlich eine Konsequenz von ungerechten ökonomischen, sozialen und politischen Systemen welche zu ungleichem Zugang zu den Gemeingütern Wasser, Land und auch Klima führen.
„Das Klima ist ein gemeinschaftliches Gut von allen und für alle.“ (§23)
„Die menschliche Umwelt und die natürliche Umwelt verschlechtern sich gemeinsam, und wir werden die Umweltzerstörung nicht sachgemäß angehen können, wenn wir nicht auf Ursachen achten, die mit dem Niedergang auf menschlicher und sozialer Ebene zusammenhängen. Tatsächlich schädigen der Verfall der Umwelt und der der Gesellschaft in besonderer Weise die Schwächsten des Planeten. […] Die Auswirkung der aktuellen Formen von Unordnung zeigt sich auch im vorzeitigen Sterben vieler Armer, in den Konflikten, die durch Mangel an Ressourcen hervorgerufen werden, und in vielen anderen Problemen, die keinen ausreichenden Platz auf der Tagesordnung der Welt haben.“ (§48)
Darum ruft Papst Franziskus zu einem Ende des aktuellen Entwicklungsparadigmas auf, welches zu Menschenrechtsverletzungen sowie ökologischem und sozialem Niedergang führt und Konflikte provoziert. Ein neues Entwicklungsmodell muss den Zugang zu sauberer und sicherer Energie, Lebensmittel, Wasser, Gesundheit und Bildung sicherstellen. Die notwendigen Lösungen und Alternativen dafür existieren bereits in ausreichendem Maße und können zur Grundlage einer globalen Transformation werden.
„Der Klimawandel ist ein globales Problem mit schwerwiegenden Umwelt-Aspekten und ernsten sozialen, wirtschaftlichen, distributiven und politischen Dimensionen; sie stellt eine der wichtigsten aktuellen Herausforderungen an die Menschheit dar. Die schlimmsten Auswirkungen werden wahrscheinlich in den nächsten Jahr zehnten auf die Entwicklungsländer zukommen.“ (§25)
Ganzheitliche Ökologie
Papst Franziskus bezeichnet mit der ganzheitlichen Ökologie ein Konzept, in dem unser Planet als unser Zuhause und wir als eine Familie angesehen werden, welche in einer Kultur der globalen Solidarität und dem Schutz der Schöpfung leben soll.
„Wir müssen uns stärker bewusst machen, dass wir eine einzige Menschheitsfamilie sind. Es gibt keine politischen oder sozialen Grenzen und Barrieren, die uns erlauben, uns zu isolieren, und aus ebendiesem Grund auch keinen Raum für die Globalisierung der Gleichgültigkeit.“ (§52)
Die ganzheitliche Ökologie ist eng mit dem Konzept der Menschenwürde verbunden, welches ein Leben aller Menschen in Würde ermöglicht und die Übernahme von Verantwortung auf allen Ebenen braucht: international, lokal und individuell. Das bedeutet auch, dass wir ein Entwicklungsmodell wählen müssen, welches keine falsche Lösungen propagiert die Menschenrechte gefährden. Eine solche menschliche Entwicklung leitet uns zu einer gerechten, nachhaltigen und armutsfreien Welt, die auf 100% erneuerbarer Energie, einem Ende von fossilen Brennstoffen und dem Rückzug aus dem folgenschweren bergbaubasierten Wirtschaften gründet.
„Die Ökologie untersucht die Beziehungen zwischen den lebenden Organismen und der Umwelt, in der sie sich entwickeln. Das erfordert auch darüber nachzudenken und zu diskutieren, was die Lebens- oder Überlebensbedingungen einer Gesellschaft sind, und dabei die Ehrlichkeit zu besitzen, Modelle der Entwicklung, der Produktion und des Konsums in Zweifel zu ziehen.“ (§138)
Es ist „dringend geboten, politische Programme zu entwickeln, um in den kommenden Jahren den Ausstoß von Kohlendioxid und anderen stark verunreinigenden Gasen drastisch zu reduzieren, zum Beispiel indem man die Verbrennung von fossilem Kraftstoff ersetzt und Quellen erneuerbarer Energie entwickelt.“ (§26)
Persönliches Umdenken und politische Veränderungen
In seinem Aufruf zum einfachen Leben weist Papst Franziskus das exzessive Konsumdenken hin, welches Konsum über Bewahrung und private Vorteile über gerechte Verteilung stellt. Er ruft zu einem Überdenken jener gesellschaftlichen Werte auf, welche finanzielles und wirtschaftliches Wachstum über Ökologie und die Bedürfnisse der Ärmsten und gefährdetsten Menschen und Gemeinschaften heben.
„Diese ausweichende Haltung dient uns, unseren Lebensstil und unsere Produktions- und Konsumgewohnheiten beizubehalten. Es ist die Weise, wie der Mensch sich die Dinge zurechtlegt, um all die selbstzerstörerischen Laster zu pflegen: Er versucht, sie nicht zu sehen, kämpft, um sie nicht anzuerkennen, schiebt die wichtigen Entscheidungen auf und handelt, als ob nichts passieren werde.“ (§59)
Es braucht ein neues Wirtschaftssystem, welches über partizipative und demokratische Entscheidungsmechanismen den Zugang zu Ressourcen für alle garantiert. Bei dieser Transformation muss das Ziel der Armutsreduktion und das Streben nach Gerechtigkeit im Zentrum stehen.
„In der gegenwärtigen Situation der globalen Gesellschaft, in der es so viel soziale Ungerechtigkeit gibt und immer mehr Menschen ausgeschlossen und ihrer grundlegenden Menschenrechte beraubt werden, verwandelt sich das Prinzip des Gemeinwohls als logische und unvermeidliche Konsequenz unmittelbar in einen Appell zur Solidarität und in eine vorrangige Option für die Ärmsten.“ (§158)
Papst Franziskus weist auch auf den fehlenden politischen Willen und die Untätigkeit hin, erinnert uns aber gleichzeitig daran, dass nicht alles verloren ist und dass es die Chance und die Hoffnung auf eine Rehabilitation und einen Wandel nicht nur der Situation, der Bedingungen und des Umfeldes sondern auch von uns selbst gibt. Dazu lädt Papst Franziskus zu einem Dialog auf allen Ebenen ein.
„Die dringende Herausforderung, unser gemeinsames Haus zu schützen, schließt die Sorge ein, die gesamte Menschheitsfamilie in der Suche nach einer nachhaltigen und ganzheitlichen Entwicklung zu vereinen, denn wir wissen, dass sich die Dinge ändern können.“ (§13)
„Ich lade dringlich zu einem neuen Dialog ein über die Art und Weise, wie wir die Zukunft unseres Planeten gestalten. Wir brauchen ein Gespräch, das uns alle zusammenführt, denn die Herausforderung der Umweltsituation, die wir erleben, und ihre menschlichen Wurzeln interessieren und betreffen uns alle.“ (§14)
Bezüge zu Arbeitsbereichen der KOO und ihrer Mitgliedsorganisationen
Die Enzyklika „Laudato si“ ist ein umfassendes Rundschreiben welches viele Bezüge zu den Arbeitsbereichen der Koordinierungsstelle und ihrer Mitgliedsorganisationen hat. Die internationale Gerechtigkeit, die Kritik am herrschenden Technologie-, Wirtschafts- und Fortschrittsparadigma, die Überzeugung, dass ökologische, ökonomische und soziale Fragen in einem inneren Zusammenhang stehen, das Konzept der globalen Gemeingüter wie Wasser, die Ozeane, die Wälder und die Atmosphäre, der Eigenwert jeder Kreatur, die Notwendigkeit neuer Produktions- und Konsummuster sind zentrale Themen der Enzyklika und ebensolche unserer Arbeit.
Anwaltschaft
Alle kirchlichen Organisationen treten für gerechtere und menschenwürdigere Lebensbedingungen ein und arbeiten an einer Um- und Neugestaltung der Gesellschaft mit. Anwaltschaft ist das Eintreten für Anliegen durch die Beeinflussung der sozialen, wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen, die Auswirkungen auf die Menschen haben. Alle KOO MO sind mit Anwaltschaft befasst. Viele verschiedene Themen werden von den einzelnen MOs bearbeitet und in unterschiedlicher Intensität umgesetzt.
Im ersten Kapitel Punkt V. Weltweite soziale Ungerechtigkeit
„Die menschliche Umwelt und die natürliche Umwelt verschlechtern sich gemeinsam, und wir werden die Umweltzerstörung nicht sachgemäß angehen können, wenn wir nicht auf Ursachen achten, die mit dem Niedergang auf menschlicher und sozialer Ebene zusammenhängen. Tatsächlich schädigen der Verfall der Umwelt und der der Gesellschaft in besonderer Weise die Schwächsten des Planeten: »Sowohl die allgemeine Erfahrung des alltäglichen Lebens als auch die wissenschaftliche Untersuchung zeigen, dass die schwersten Auswirkungen all dieser Umweltverletzungen von den Ärmsten erlitten werden. «“ (§48)
„Die soziale Ungerechtigkeit geht nicht nur Einzelne an, sondern ganze Länder. Der Export einiger Rohstoffe, um die Märkte im industrialisierten Norden zu befriedigen, hat örtliche Schäden verursacht wie die Quecksilbervergiftung in den Goldminen oder die Vergiftung mit Schwefeldioxid im Bergbau zur Kupfergewinnung…“ (51)
Dazu als Hinweis auf die Kampagne der CIDSE, der KOO und der DKA “Konfliktmineralien” : Die Abgeordneten zum EU-Parlament haben am 20. Mai 2015 mehrheitlich für eine Regulierung ausgesprochen, die der Komplizenschaft europäischer Unternehmen mit Gewalt, Menschenrechts- verletzungen und Umweltzerstörung einen wirksam bekämpfen soll. 145 Bischöfe aus 38 Ländern auf allen Erdteilen haben mitgewirkt (u.a. L. Schwarz, A. Schwarz, Scheuer, Scharl, Turnovszky, Zsifkovics). Dies wird ein wichtiger Beitrag für eine wirksame Gesetzgebung.
Papst Franziskus wird sich sicher in seinen Ansprachen vor dem US-Kongress und vor den Vereinten Nationen im September dieses Jahres auf die Inhalte dieser Enzyklika beziehen. „Laudato si“ ist reich genug, um sowohl die internationale Politik zu inspirieren und zu befruchten. Bei der UN Konferenz im September geht es um nachhaltige Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals-SDG). Dabei geht es um die Sicherung einer nachhaltigen Entwicklung auf ökonomischer, sozialer sowie ökologischer Ebene.
„Es gibt keine politischen oder sozialen Grenzen und Barrieren, die uns erlauben, uns zu isolieren, und aus ebendiesem Grund auch keinen Raum für die Globalisierung der Gleichgültigkeit“ (52).
„Das erfordert auch darüber nachzudenken und zu diskutieren, was die Lebens- oder Überlebensbedingungen einer Gesellschaft sind, und dabei die Ehrlichkeit zu besitzen, Modelle der Entwicklung, der Produktion und des Konsums in Zweifel zu ziehen. Es ist nicht überflüssig zu betonen, dass alles miteinander verbunden ist“. (138)
Bildungsarbeit
Entwicklungspolitische Bildungsarbeit soll Wissen über die Welt vermitteln, auf weltweite Zusammenhänge aufmerksam machen und verantwortungsvolles Handeln auch im Sinne einer Bildung für nachhaltige Entwicklung fördern. In diesem Zusammenhang wird die "Erziehung zur Weltoffenheit, die vom Verständnis für die existenziellen Probleme der Menschheit getragen ist" als eines der wichtigen Anliegen von Politischer Bildung definiert.
Entwicklungspolitische Bildungsarbeit soll dabei unterstützen
- Komplexität zu verstehen,
- kritisch zu reflektieren,
- eigene Beteiligungsmöglichkeiten zu erkennen und zu nützen.
Im sechsten Kapitel Punkt II. Erziehung zum Bündnis zwischen der Menschheit und der Umwelt
Das Bewusstsein der Ernsthaftigkeit der kulturellen und ökologischen Krise muss in neuen Gewohnheiten zum Ausdruck kommen. (§209)
Die Umwelterziehung hat ihre Ziele erweitert […] gibt es Erzieher, die fähig sind, pädagogische Wege einer ökologischen Ethik neu zu entwerfen, so dass sie tatsächlich helfen, in der Solidarität, der Verantwortlichkeit und der auf dem Mitgefühl beruhenden Achtsamkeit zu wachsen. (§210)
Die Existenz von Gesetzen und Regeln reicht auf lange Sicht nicht aus, um die schlechten Verhaltensweisen einzuschränken, selbst wenn eine wirksame Kontrolle vorhanden ist. Damit die Rechtsnorm bedeutende und dauerhafte Wirkungen hervorbringt, ist es notwendig, dass der größte Teil der Mitglieder der Gesellschaft sie aufgrund von geeigneten Motivierungen akzeptiert hat und aus einer persönlichen Verwandlung heraus reagiert. (§210)
Man soll nicht meinen, dass diese Bemühungen die Welt nicht verändern. 212
Die Bereiche, in denen die Erziehung stattfindet, sind verschieden: die Schule, die Familie, die Kommunikationsmittel, die Katechese und andere. 213
Pastoral: Verkündigung, Mission und Entwicklung, Dialog
Das Zweite Vatikanische Konzil hat den Pastoralbegriff aus seiner Engführung auf das Handeln der Priester und Bischöfe herausgeführt. Es hat deutlich gemacht, dass alle Mitglieder der Kirche - alle, die ihr durch Taufe und Firmung eingegliedert sind - beauftragt sind, pastoral zu handeln bzw. an der Pastoral mitzuwirken: Alle sind gerufen, zum KircheSein in der Welt beizutragen und an der Sendung der Kirche zum Dienst am Reich Gottes in der Welt teilzunehmen. So ist es auch Auftrag aller, missionarisch zu sein und als Kirche so nach dem Evangelium zu leben, dass andere die Einladung zum Glauben annehmen können und dass die Kraft der christlichen Botschaft so in die Gesellschaft hineinwirkt, dass diese zum Wohle aller gestaltet wird. Pastoral umfasst dabei ebenso seelsorgliches Tun wie sozialen Einsatz; beides ist nicht voneinander zu trennen.
Im zweiten Kapitel Punkt I.
Das Licht, das der Glaube bietet Wenn wir die Komplexität der ökologischen Krise und ihre vielfältigen Ursachen berücksichtigen, müssten wir zugeben, dass die Lösungen nicht über einen einzigen Weg, die Wirklichkeit zu interpretieren und zu verwandeln, erreicht werden können. Es ist auch notwendig, auf die verschiedenen kulturellen Reichtümer der Völker, auf Kunst und Poesie, auf das innerliche Leben und auf die Spiritualität zurückzugreifen. (§63)
Wir sind nicht Gott. Die Erde war schon vor uns da und ist uns gegeben worden […], müssen wir heute mit Nachdruck zurückweisen, dass aus der Tatsache, als Abbild Gottes erschaffen zu sein, und dem Auftrag, die Erde zu beherrschen, eine absolute Herrschaft über die anderen Geschöpfe gefolgert wird.(§67)
Im fünften Kapitel Punkt V.
Die Religionen im Dialog mit den Wissenschaften „Ich möchte daran erinnern, dass »die klassischen religiösen Texte für alle Zeiten von Bedeutung sein können und eine motivierende Kraft besitzen, die immer neue Horizonte öffnet […] Ist es vernünftig und intelligent, sie in die Verborgenheit zu verbannen, nur weil sie im Kontext einer religiösen Überzeugung entstanden sind? Eigentlich ist es naiv zu meinen, die ethischen Grundsätze könnten völlig abstrakt und aus ihrem gesamten Kontext herausgelöst dargelegt werden; die Tatsache, dass sie in einer religiösen Sprache erscheinen, mindert in keiner Weise ihren Wert in der öffentlichen Debatte. (§199)
Der größte Teil der Bewohner des Planeten bezeichnet sich als Glaubende, und das müsste die Religionen veranlassen, einen Dialog miteinander aufzunehmen, der auf die Schonung der Natur, die Verteidigung der Armen und den Aufbau eines Netzes der gegenseitigen Achtung und der Geschwisterlichkeit ausgerichtet ist. (§201)
Im sechsten Kapitel Punkt IV. Freude und Frieden
Die christliche Spiritualität schlägt ein anderes Verständnis von Lebensqualität vor und ermutigt zu einem prophetischen und kontemplativen Lebensstil, der fähig ist, sich zutiefst zu freuen, ohne auf Konsum versessen zu sein. (§222)
Bezüge zu Arbeitsbereichen der KOO und ihrer Mitgliedsorganisationen im Detail zu Themen
Kritik an Wachstumsparadigma, profitorientiertem Wirtschafts- und Finanzsystem
Die Enzyklika kritisiert das vorherrschende Wirtschafs- und Finanzsystem, das auf Profit und grenzenloses Wachstum ausgerichtet ist, das zu „Konsumismus“ und „Wegwerfkultur“ für und Ausbeutung der Natur, Ungleichheit und Ausgrenzung bedingt und zu Gewalt und Konflikten führt. Demgegenüber fordert sie zu einem Paradigmenwechsel auf, der sich am Gemeinwohl orientiert. Dies braucht eine Änderung von Haltung und Lebensstilen wie auch Übernahme von Verantwortung seitens der Wirtschaft und Politik.
- 56 Indessen fahren die Wirtschaftsmächte fort, das aktuelle weltweite System zu rechtfertigen, in dem eine Spekulation und ein Streben nach finanziellem Ertrag vorherrschen, die dazu neigen, den gesamten Kontext wie auch die Wirkungen auf die Menschenwürde und die Umwelt zu ignorieren.
- 106 Das Grundproblem ist ein anderes, noch tieferes, nämlich die Art und Weise, wie die Menschheit tatsächlich die Technologie und ihre Entwicklung zusammen mit einem homogenen und eindimensionalen Paradigma angenommen hat. … Von da aus gelangt man leicht zur Idee eines unendlichen und grenzenlosen Wachstums, das die Ökonomen, Finanzexperten und Technologen so sehr begeisterte. Dieses Wachstum setzt aber die Lüge bezüglich der unbegrenzten Verfügbarkeit der Güter des Planeten voraus, die dazu führt, ihn bis zur Grenze und darüber hinaus »auszupressen«.
Plädieren für Pradigmenwechsel:
- 109. Das technokratische Paradigma tendiert auch dazu, die Wirtschaft und die Politik zu beherrschen. Die Wirtschaft nimmt jede technologische Entwicklung im Hinblick auf den Ertrag an, ohne auf mögliche negative Auswirkungen für den Menschen zu achten. Die Finanzen ersticken die Realwirtschaft. Man hat die Lektionen der weltweiten Finanzkrise nicht gelernt, und nur sehr langsam lernt man die Lektionen der Umweltschädigung… Man wird nie genug darauf hinweisen können, welches die tiefsten Wurzeln des gegenwärtigen Ungleichgewichts sind, die mit der Ausrichtung, den Zielen, dem Sinn und dem sozialen Kontext des technologischen und wirtschaftlichen Wachstums zu tun haben.
- 189. Im Hinblick auf das Gemeinwohl besteht für uns heute die dringende Notwendigkeit, dass Politik und Wirtschaft sich im Dialog entschieden in den Dienst des Lebens stellen, besonders in den des menschlichen Lebens. Die Rettung der Banken um jeden Preis, indem man die Kosten dafür der Bevölkerung aufbürdet, ohne den festen Entschluss, das gesamte System zu überprüfen und zu reformieren, unterstützt eine absolute Herrschaft der Finanzen, die keine Zukunft besitzt und nach einer langwierigen, kostspieligen und scheinbaren Heilung nur neue Krisen hervorrufen kann. Die Finanzkrise von 2007-2008 war eine Gelegenheit für die Entwicklung einer neuen, gegenüber den ethischen Grundsätzen aufmerksameren Wirtschaft und für eine Regelung der spekulativen Finanzaktivität und des fiktiven Reichtums. Doch es gab keine Reaktion, die dazu führte, die veralteten Kriterien zu überdenken, die weiterhin die Welt regieren.
- 194. Damit neue Leitbilder für den Fortschritt aufkommen, müssen wir »das Modell globaler Entwicklung in eine [andere] Richtung … lenken«, was einschließt, »über den Sinn der Wirtschaft und über ihre Ziele nachzudenken, um Missstände und Verzerrungen zu korrigieren«. Es geht schlicht darum, den Fortschritt neu zu definieren. Eine technologische und wirtschaftliche Entwicklung, die nicht eine bessere Welt und eine im Ganzen höhere Lebensqualität hinterlässt, kann nicht als Fortschritt betrachtet werden.
- 197. Wir brauchen eine Politik, deren Denken einen weiten Horizont umfasst und die einem neuen, ganzheitlichen Ansatz zum Durchbruch verhilft, indem sie die verschiedenen Aspekte der Krise in einen interdisziplinären Dialog aufnimmt.
Land, Landwirtschaft, Ernährung
Am Beispiel der Landwirtschaft wird die Bedeutung kleinbäuerlicher Betriebe für Ernährungssicherheit und die Verknüpfung mit Umwelt- und Klimafragen verdeutlicht. Auch Landrechte und notwendige Mitsprachemöglichkeiten für die Betroffenen werden klar angesprochen. Es gibt Verweise auf gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Menschenrechte. Demgegenüber wird die industrialisierte Landwirtschaft mit große Landkonzentration, Einsatz von Pestiziden und Gentechnik sehr kritisch gesehen. Damit unterstützt die Enzyklika die Arbeit vieler katholischer Entwicklungsorganisationen in diesem Bereich auf Projekt- wie Anwaltschaftsebene.
- 93…. Folglich muss der gesamte ökologische Ansatz eine soziale Perspektive einbeziehen, welche die Grundrechte derer berücksichtigt, die am meisten übergangen werden. Die christliche Tradition hat das Recht auf Privatbesitz niemals als absolut und unveräußerlich anerkannt und die soziale Funktion jeder Form von Privatbesitz betont. »Gott hat die Erde dem ganzen Menschengeschlecht geschenkt, ohne jemanden auszuschließen oder zu bevorzugen, auf dass sie alle seine Mitglieder ernähre.«(Centesimus annus 1991). Das sind inhaltsschwere und starke Worte. Er hob hervor, dass »ein Entwicklungstyp nicht wirklich des Menschen würdig wäre, der nicht auch die persönlichen und gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Menschenrechte, die Rechte der Nationen und Völker eingeschlossen, achten und fördern würde«.(Sollitcitudo rei Socialis 1987)
- Unter 94. Werden die Bischöfe Paraguays zitiert wie folgt: „Jeder Campesino hat ein natürliches Recht darauf, ein angemessenes Stück Land zu besitzen, wo er seine Wohnstätte errichten, für den Lebensunterhalt seiner Familie arbeiten und existentielle Sicherheit haben kann. …Das bedeutet, dass der Campesino außer dem Eigentumszertifikat sich auf Mittel technischer Schulung, Kredite, Versicherungen und Vermarktung verlassen muss.“
- 129. Es gibt zum Beispiel eine große Mannigfaltigkeit an kleinbäuerlichen Systemen für die Erzeugung von Lebensmitteln, die weiterhin den Großteil der Weltbevölkerung ernährt, während sie einen verhältnismäßig niedrigen Anteil des Bodens und des Wassers braucht und weniger Abfälle produziert, sei es auf kleinen landwirtschaftlichen Flächen oder in Gärten, sei es durch Jagd, Sammeln von Waldprodukten oder kleingewerbliche Fischerei. Die Größenvorteile, besonders im Agrarsektor, führen schließlich dazu, dass die kleinen Landwirte gezwungen sind, ihr Land zu verkaufen oder ihre herkömmlichen Produktionsweisen aufzugeben…. Die Verantwortungsträger haben das Recht und die Pflicht, Maßnahmen zu ergreifen, um die Kleinproduzenten und die Produktionsvielfalt klar und nachdrücklich zu unterstützen. Damit es eine wirtschaftliche Freiheit gibt, von der alle effektiv profitieren, kann es manchmal notwendig sein, denen Grenzen zu setzen, die größere Ressourcen und finanzielle Macht besitzen.
- 180. Andererseits kann sich das kommunalpolitische Handeln auf die Mäßigung des Konsums ausrichten, auf die Entwicklung einer Entsorgungs- und Wiederverwertungswirtschaft, auf den Artenschutz und auf die Planung einer diversifizierten Landwirtschaft mit Fruchtwechsel. Es ist möglich, eine landwirtschaftliche Verbesserung der armen Regionen zu fördern durch Investitionen in ländliche Infrastrukturen, in die Organisation des lokalen oder nationalen Marktes, in Bewässerungsanlagen, in die Entwicklung nachhaltiger Agrartechniken und anderes. Man kann Formen der Zusammenarbeit oder der gemeinschaftlichen Organisation erleichtern, welche die Interessen der kleinen Erzeuger schützen und die örtlichen Ökosysteme vor der Plünderung bewahren.
- 164. Um die Grundfragen in Angriff zu nehmen, die nicht durch Maßnahmen einzelner Länder gelöst werden können, ist ein weltweiter Konsens unerlässlich, der zum Beispiel dazu führt, eine nachhaltige und vielgestaltige Landwirtschaft zu planen, erneuerbare und möglichst umweltfreundliche Energieformen zu entwickeln, eine größere Energieeffizienz zu fördern, eine angemessenere Verwaltung der Ressourcen aus Wald und Meer voranzutreiben und allen den Zugang zu Trinkwasser zu sichern.
Privatsektor/ Unternehmensverantwortung
Der Papst sieht die Verantwortung von Unternehmen in der Förderung des Gemeinwohls u.a. durch Schaffung von Arbeitsplätzen und Übernahme von Verantwortung für die Folgen ihres Handelns. Er spricht sich für globale Regulierungen aus einschließlich partizipativer Überprüfungen, um negative Auswirkungen auf Umwelt und Menschen zu vermeiden. Konkret wird auch die Problematik der Umsiedlung Indigener durch Bergbau und Großprojekte angesprochen.
- 129. Die Unternehmertätigkeit, die eine edle Berufung darstellt und darauf ausgerichtet ist, Wohlstand zu erzeugen und die Welt für alle zu verbessern, kann eine sehr fruchtbringende Art und Weise sein, die Region zu fördern, in der sie ihre Betriebe errichtet, vor allem wenn sie versteht, dass die Schaffung von Arbeitsplätzen ein unausweichlicher Teil ihres Dienstes am Gemeinwohl ist.
- 146. In diesem Sinne ist es unumgänglich, den Gemeinschaften der Ureinwohner mit ihren kulturellen Traditionen besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Sie sind nicht eine einfache Minderheit unter anderen, sie müssen vielmehr die wesentlichen Ansprechpartner werden, vor allem wenn man mit großen Projekten vordringt, die ihre Gebiete einbeziehen. Denn für sie ist das Land nicht ein Wirtschaftsgut, sondern eine Gabe Gottes und der Vorfahren, die in ihm ruhen; ein heiliger Raum, mit dem sie in 10 Wechselbeziehung stehen müssen, um ihre Identität und ihre Werte zu erhalten. Wenn sie in ihren Territorien bleiben, sind es gerade sie, die am besten für sie sorgen.
- 167.Hervorzuheben ist der 1992 in Rio de Janeiro abgehaltene Erdgipfel. Dort wurde erklärt: »Die Menschen stehen im Mittelpunkt der Bemühungen um eine nachhaltige Entwicklung. «In Anknüpfung an die Inhalte der Erklärung von Stockholm (1972) wurden feierliche Zusagen gemacht über die internationale Zusammenarbeit zur Pflege des Ökosystems der gesamten Erde; über die Verpflichtung dessen, der Umweltverschmutzung verursacht, finanziell dafür aufzukommen; über die Pflicht, die Umweltverträglichkeit eines jeden Werkes oder Projektes zu prüfen.
- 183. Eine Untersuchung der Umweltverträglichkeit dürfte nicht im Anschluss an die Erarbeitung eines Produktionsplanes oder irgendeiner Politik, einer Planung oder eines Programms stattfinden, die es zu entwickeln gilt. Sie muss von Anfang an einbezogen und bereichsübergreifend, transparent und unabhängig von jedem wirtschaftlichen oder politischen Druck ausgearbeitet werden. Einen privilegierten Platz in der Diskussion müssen jedoch die Einwohner vor Ort haben, die sich fragen, was sie für sich und für ihre Kinder wollen, und die auch Ziele in Betracht ziehen können, die das unmittelbare wirtschaftliche Interesse übersteigen.
- 184. Wenn eventuelle Risiken für die Umwelt erscheinen, die das gegenwärtige oder zukünftige Gemeinwohl betreffen, verlangt die Situation, »dass alle Entscheidungen auf der Grundlage einer Gegenüberstellung der Risiken und der Vorteile jeder in Frage kommenden Alternative getroffen werden.
- 186. Wenn die objektive Information einen schweren und irreversiblen Schaden voraussehen lässt, müsste jedes Projekt, auch wenn es keine unbestreitbare Bestätigung gibt, gestoppt oder modifiziert werden. So wird die Beweislast umgekehrt, da in diesen Fällen ein objektiver und schlagender Nachweis dafür erbracht werden muss, dass das Vorhaben keine schweren Schäden für die Umwelt und ihre Bewohner verursachen wird.
Für unsere entwicklungspolitische Arbeit der katholischen Hilfswerke und der Dachverbände wie Koordinierungsstelle und international der CIDSE bedeutet dies:
Alle Rahmenbedingungen unseres Lebens, alle Prozesse und Entwicklungen, die wir gestalten müssen, alle Phänomene und Probleme, auf die wir politische Antworten suchen, sind längst transnational. Die Wertschöpfungskette, die Investitionen und Gewinnrückführungen, die Energieerfordernisse, die sicherheitspolitischen Probleme, die Kommunikation, die ökologischen Probleme – all das macht weder an nationalen Grenzen halt, noch kann es innerhalb von nationalen Grenzen in nationaler Souveränität gemanagt werden.
Erstellt von Martin Krenn, Hilde Wipfel und Heinz Hödl Wien, am 18. Juni 2015