Bischof Freistetter: Sorge über Gewalteskalation in Kolumbien
[06.05.2021, PA] Angesichts der aktuellen Gewalteskalation in Kolumbien zeigt sich Bischof Freistetter als Vorsitzender der KOO (Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz für internationale Entwicklung und Mission) besorgt: „Wenn eine Regierung ihre eigene Bevölkerung als Gegnerin sieht, oder der Staat die Kooperation mit den gesellschaftlichen Akteuren nicht pflegt, verschärfen sich Spannungen innerhalb einer Gesellschaft und werden zu Fronten“. Bischof Freistetter teilt die Ansicht der Kolumbianischen Bischofskonferenz, dass friedlicher Protest ein Recht und eine legitime Maßnahme sein müssen, um Antworten auf soziale Bedürfnisse und Forderungen zu erhalten.
Derzeit erlebt das südamerikanische Land die schwersten Unruhen seit Jahren. Aufgrund einer geplanten Steuerreform, die vor allem Bezieher niedriger und mittlerer Einkommen hart treffen würde, sind tausende Kolumbianerinnen und Kolumbianer in den Städten des ganzen Landes auf die Straßen gegangen, um ihrem Unmut Luft zu verschaffen. Bei gewalttätigen Auseinandersetzungen am Mittwoch, 5. Mai sind allein in der Hauptstadt Bogotá mindestens 46 Menschen verletzt worden. EU und UN zeigten sich insbesondere wegen Berichten über massive Polizeigewalt alarmiert. Medienberichte sprechen von maßloser Gewalt der Polizei besonders gegenüber Jugendlichen, die sich gegen das verkrustete und von Korruption gekennzeichnete politische System des Landes auf den Straßen versammeln.
„Wir müssen wachsam bleiben für Entwicklungen in allen Regionen der Welt, die das Gemeinwohl untergraben oder Menschenrechte verletzen“, so Bischof Freistetter, der darauf hinwies, dass angesichts der immer noch grassierenden Corona-Pandemie, manche Themen derzeit weniger stark im Fokus der Öffentlichkeit stehen, als es notwendig wäre.
„Hinter diesen teils heftigsten Gewaltexzessen liegen jahre- oder jahrzehntelange gesellschaftliche Konflikte, die nicht ausreichend bearbeitet oder sogar strukturell geschürt wurden. In einer Krisensituation wie etwa der aktuellen Pandemie, werden fragile Umstände noch brüchiger. In einer Lebensrealität mit steigender extremer Armut und schlechter Gesundheits- und Bildunsgversorgung, müssen die soziale Umgleichheit verschärfende Maßnahmen zur Eskalation führen“, so Anja Appel, Leiterin der KOO. Die aktuellen Ereignisse seien ein schockierendes Beispiel für die Fragilität gesellschaftlichen Zusammenhalts. Dabei sei die Debatte um die geplante Steuerreform wohl nur der berühmte Tropfen, der das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht habe, so Appel.
Wichtig ist aus Sicht von Appel, dass sich die Kirche überall für friedvolle Lösungen einsetzt, den Armen und Bedrängten beisteht, die Demokratie verteidigt und Räume anbietet, damit Dialog, Vertrauensaufbau und Verständigung möglich sind. „Wir wissen von vielen Situationen, in denen die Ortskirche eine der Institutionen ist, die gegnerische Akteure an einen Tisch bringen kann, humanitäre Lösungen für Notsituationen findet oder als Anwältin für die Grundrechte der Menschen auftritt, wo diese von Seiten der Machthaber verletzt werden.“ so Appel. Auch die österreichischen katholischen Organisationen innerhalb der KOO stünden in solchen Momenten an der Seite ihrer Partnerorganisationen vor Ort: „Es gilt, die eigenen Möglichkeiten einzusetzen, damit schwelende oder eskalierende Konflikte Aufmerksamkeit bekommen“, so Appel abschließend.
Weitere Unterlagen:
> Stellungnahme Kolumbianische BiKo Comunicado Episcopado 4 mayo