Für eine Welt in Geschwisterlichkeit und sozialer Freundschaft
[13.11.20] Vor einem Monat hat Papst Franziskus in Assisi seine dritte Enzyklika "Fratelli tutti - Über die Geschwisterlichkeit und die soziale Freundschaft" unterzeichnet. Fünf Jahre nach "Laudato si – Über die Sorge um das gemeinsame Haus" fügt der Papst damit der Katholischen Soziallehre ein weiteres Lehrschreiben hinzu, in dem es vor allem um die Heilung der menschlichen Beziehungen und eine Neuausrichtung des politischen und wirtschaftlichen Handelns im Blick auf das globale Gemeinwohl geht.
Die österreichischen Bischöfe unterstützen den Appell von Papst Franziskus für eine Globalisierung der Nächstenliebe inmitten der einen Menschheitsfamilie. Nicht nur die gegenwärtige Pandemie zeigt, dass globale Krisen nur gemeinsam und weltweit überwunden werden können. Daher gilt es, Verbundenheit und Zusammenarbeit über alle kulturellen, religiösen, geografischen, ethnischen und politischen Grenzen hinweg zu fördern. Für die schrittweise Realisierung der Vision eines friedlichen Zusammenlebens aller Menschen in einer sozial und ökologisch gerechten Welt lohnt es sich, alle zur Verfügung stehenden Mittel, vor allem jedoch alle menschlichen Begabungen einzusetzen.
Der Weg dorthin kann aber nur im gemeinsamen Nachdenken und Dialog liegen, der auf eine Änderung der Haltungen und Strukturen abzielt, die bisher der Logik einer unersättlichen Gier und Lebensausbeutung gefolgt sind. Noch mehr als bisher muss es dabei gelingen, Ökonomie, Ökologie und Soziales in Einklang zu bringen - auch und gerade angesichts der globalen Klimakrise. Dafür braucht es beispielsweise Wertschätzung für unternehmerische Tätigkeit, aber auch verbindliche internationale Mechanismen für eine Unternehmensverantwortung im Blick auf Menschenrechte und Umweltschutz. Für die Kirche hierzulande bedeutet das, die Bemühungen zur Reduktion der CO2-Emissionen in den Diözesen oder auch die nachhaltige Beschaffung konsequent umzusetzen. Unseren ersten Auftrag sehen wir jedoch darin, die spirituellen Quellen für einen wirklich nachhaltigen Wandel unserer Gesellschaft möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen.
"Fratelli tutti" ist überzeugt von der Gestaltungskraft einer "neuen Politik" und vom Vertrauen in Verantwortungsträger, die in "politischer Nächstenliebe" handeln. Sie sind die Antwort auf unheilvolle Populismen, denen Einhalt zu gebieten ist. Der Einsatz für die Menschenrechte ist dabei maßgeblich und ein permanenter Arbeitsauftrag. Das gilt vor allem für die Bereiche Flucht und Migration. Es braucht die Bereitschaft, sowohl die Ursachen dafür zu beseitigen als auch Schutz und Heimat suchende Menschen aufzunehmen und zu integrieren, soweit dies nur irgendwie möglich ist. Die Kriterien dafür benötigen einen Rückhalt in der Gesellschaft, und die Kirche sieht sich dabei als Anwältin der Schutzsuchenden und Notleidenden. Ebenso sind wir alle aufgefordert, die Sorge um den Frieden auf die kirchliche und staatliche Prioritätenliste zu setzen. Ein Beispiel dabei ist die Unterstützung für den päpstlichen Aufruf, mit dem durch Abrüstung eingesparten Geld einen "Weltfonds zur Bekämpfung von Hunger" zu schaffen. Bei alldem gilt es, die internationalen Beziehungen und Institutionen zu stärken als Antwort auf Tendenzen einer wachsenden Abschottung und eines weltweit aufkeimenden Nationalismus.
Adressaten der päpstlichen Programmschrift "Fratelli tutti" sind nicht nur die hohe Politik oder die globalisierte Wirtschaft. Jeder und jede einzelne ist aufgefordert, die Wirklichkeit mit den Augen der Verletzlichsten zu sehen und am biblischen Beispiel des barmherzigen Samariters Maß zu nehmen.