Globale Finanzwirtschaft im Fokus des Vatikans:
Die vatikanische Abteilung für ganzheitliche Entwicklung und die Glaubenskongregation haben gestern, am 17. Mai 2018, einen Text zu ethischen Kriterien des Wirtschaftssystems veröffentlicht. Unter dem Titel „Oeconomicae et pecuniariae quaestiones.“ liefern die vatikanischen Institutionen eine ethische Fundierung zu Franziskus` formulierten Sätzen „Die Wirtschaft tötet“ und "Das Geld muss dienen und nicht regieren“ in Evangelii Gaudium.
Die Publikation beschreibt die aktuelle Rolle der Finanzwirtschaft und ihren Mangel an ethischer Ausrichtung. Sie ist demnach Ergebnis und zugleich Motor einer zerstörerischen Ausrichtung individueller Bedürfnisse und gesellschaftlicher Interessen. Die Publikation deckt deren Verantwortung für die globalen Strukturen von Ungerechtigkeit und Ausbeutung menschlicher und ökologischer Ressourcen auf. Sie fordert eine Re-Positionierung und Degradierung von (finanz-)wirtschaftlichem Handeln. Dieses muss vom Zweck an sich zu einem von vielen Mitteln zum Zweck. Es muss ein bei bedächtiger und ethisch-gelenkter Anwendung nutzbringendes Instrument werden.
„Oeconomicae et pecuniariae quaestiones“ negiert die Steuerungsfähigkeiten des Marktes im Sinne eines Wohlstands für alle und fordert daher eine stärkere Regulierung der weltweiten Märkte. Ziel dessen muss sein, schadensbringende Auswüchse zu verhindern und wirtschaftliche Aktivitäten auf den Aufbau von Strukturen der gerechten Verteilung auszurichten. Es gelte lebensfördernde Instrumente auszuweiten, wie etwa Mikrokredite und öffentliche Kredite an lokale Gemeinschaften. Gerade deshalb sollen Angebote für Steuervermeidung/-hinterziehung wie offshore-Geschäfte gesetzlich eingestellt werden, um die finanzielle Gestaltungsmacht von Gesellschaften und Politik wieder zu stärken. Die Betonung liegt also eindeutig auf der Schaffung realer Werte im Gegensatz zu hauptsächlich profitgesteuerten und spekulativen Aktivitäten.
Insbesondere für entwicklungspolitische AkteurInnen ist diese Publikation eine Unterstützung, setzt sie doch seit langem identifizierte Missstände in einen ganz grundsätzlichen Rahmen. Sie ist eine Ausfaltung dessen, was in Laudato Si und Evangelii Gaudium implizit aber auch explizit als Antrieb für die sozialen und ökologischen Krisen dieser Welt benannt ist. Und sie kann die entwicklungspolitische Argumentation gegenüber finanzwirtschaftlichen AkteurInnen, die eine ethische Verantwortung spüren, bereichern.
Sie bildet damit auch ein zusätzliches Argumentationsfundament für die bereits im Januar 2018 veröffentlichte Veranlagungsrichtlinie der Österreichischen Bischofskonferenz.