Covid-Krise: Amazonas-Bischöfe fordern mehr Schutz für Indigene
Wien/Brasilia, 07.05.2020 (KAP) Die katholischen Bischöfe der brasilianischen Amazonasregion sorgen sich wegen der ungebremsten Verbreitung des Coronavirus in ihren Gebieten. Die offiziellen Corona-Statistiken entsprächen nicht der Realität, erklären sie laut dem vatikanischen Onlineportal "Vatican News" (Donnerstag) in einer aktuellen Stellungnahme. Der Staat müsse den indigenen Völkern in der Pandemie mehr Aufmerksamkeit widmen und etwa Einreiseverbote in alle Indigenengebiete erteilen, fordern die Bischöfe.
Viele Menschen mit offensichtlichen Krankheitssymptomen würden zu Hause ohne medizinische Hilfe sterben. Ein besonderes hohes Risiko trügen Indigene und Afro-Brasilianer in Amazonien. "Die Zahlen sind alarmierend", betonen die Bischöfe und erinnern daran, dass "die Region den niedrigsten Prozentsatz an Krankenhäusern im Land hat". Der Zusammenbruch der Gesundheitssysteme in Großstädten wie Manaus und Belem habe bereits eingesetzt, heißt es in dem Schreiben, das die Unterschrift von 65 Bischöfen und zwei Apostolischen Administratoren aus sechs Regionen der Brasilianischen Bischofskonferenz trägt.
Kirche an Seite der Schwächsten
Solidarisch zeigte sich der österreichische "Weltkirche-Bischof" Werner Freistetter angesichts aktuellen Verschärfung der Situation in Amazonien. Die Bischofserklärung sei auch Ausdruck der starken Präsenz der brasilianischen Kirche an der Seite der Schwächsten, so Freistetter in einer Stellungnahme gegenüber Kathpress.
Neben der Zunahme der illegalen Abholzungen, Brandrodungen und Bergbauaktivitäten bedrohten nun auch die Folgen der Corona-Pandemie den Lebensraum der indigenen Völker, so Bischof Freistetter. Die Bischöfe der Region betrachteten sich vor diesem Hintergrund auch als Anwälte für die Anliegen der Indigenen, wies Freistetter hin, der selbst erst Ende vergangenen Jahres Brasilien besucht hatte.
Lebensbedingungen weiter verschlechtert
Neben den Gemeinden in der Waldregion seien auch Menschen in den Vororten der Städte der Corona-Pandemie in besonderem Maß ausgesetzt, halten die brasilianischen Amazonasbischöfe in ihrer aktuellen Erklärung fest. Die schon vorher prekären Lebensbedingungen für die Menschen verschlechterten sich nun durch den Mangel an sanitärer Grundversorgung, Essen, Arbeit und Wohnraum weiter. "Es sind Migranten, Flüchtlinge, indigene Einwohner der Städte, Industriearbeiter, Hausangestellte, Menschen, die in informellen Sektoren beschäftigt sind und um Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit bitten", so die Bischöfe. Der Staat stehe in der Pflicht, die in der brasilianischen Verfassung verankerten Rechte auch dieser Menschen zu gewährleisten, stellen die Bischöfe klar.
Auch der Blick in die Zukunft stimmt die Bischöfe Amazoniens nicht optimistisch. Der Raubbau habe den Regenwald in den vergangenen Jahren in einem Maß ruiniert, das weitere Seuchen und Notfälle vorhersehbar mache. "Da Amazonien zunehmend zerstört ist, wird es weitere Pandemien geben, die schlimmer sind als die, die wir derzeit erleben", prognostizieren die Bischöfe.
Als Abschluss ihrer Erklärung erheben die Kirchenvertreter eine Reihe von Forderungen an den Staat. Dieser müsse das Gesundheitswesen stärken und Einreiseverbote in alle indigenen Gebiete verhängen. Auch Corona-Tests und Isolierungsmaßnahmen für Indigene zu deren Schutz sind nach Ansicht der Bischöfe anzudenken.
Entwaldung und illegaler Landraub
Abseits der Corona-Krise sehen die Kirchenvertreter weiterhin den Staat in der Pflicht, Entwaldung und Landgewinnung in der Amazonasregion besser zu kontrollieren und Indigenenvertreter in politische Beratungen einzubinden. Ausdrücklich fordern sie etwa die Rücknahme einer im vergangenen Jahr von Staatspräsident Jair Bolsonaro erlassenen vorläufigen Verfügung, die illegalen Landraub legalisiert. Die präsidiale Verfügung ist zwar von den zuständigen Parlamenten noch nicht bestätigt, entfaltet real aber bereits Wirkung: unter anderem sind die Gewalttaten in der Region stark angestiegen.