Stellungnahme der KOO zum Arbeitsdokument der Amazoniensynode
Inhaltsangabe des Dokumentes
Der erste Teil ist ein Hinhören auf die Stimme Amazoniens, unter den Stichworten "Leben", "Territorium", "Kairos" (die Zeit ist erfüllt) und „Dialog“.
Der zweite Teil trägt den Titel: „Ganzheitliche Ökologie: Der Schrei der Erde und der Armen", mit den Kapiteln "Extraktivistische Zerstörung", "Indigene Völker in selbstgewählter Isolation", "Migration", "Verstädterung", "Familie und Gemeinschaft", "Korruption", "die Frage der ganzheitlichen Gesundheit", "ganzheitliche Erziehung" und "ökologische Bekehrung", wobei der letzte Punkt mit einem Abschnitt über die "Bekehrung der Kirche" schließt.
Der dritte Teil trägt den Titel „Prophetische Kirche in Amazonien: Herausforderungen und Hoffnungen“. In den acht Kapiteln dieses Teiles geht es um "Eine Kirche mit amazonischem und missionarischem Gesicht", um "Die Herausforderungen der Inkulturation und der Interkulturalität", um "Die Feier des Glaubens: Eine inkulturierte Liturgie", um "Die Organisation der Gemeinden", wobei hier im Untertitel ausdrücklich die indigene Kosmovision angesprochen ist. Weitere Kapitel sind "Die Evangelisierung in den Städten", "Ökumenischer und interreligiöser Dialog", "Mission in den Kommunikationsmitteln" und "Die prophetische Rolle der Kirche und die ganzheitliche Förderung der Menschen". Am Ende jedes thematischen Abschnittes sind konkrete "Vorschläge" genannt, wie diesen Herausforderungen begegnet werden könnte oder welche Schritte zur Lösung der Fragen anstehen.
Inhaltliche Würdigung
Einleitend etwas zum Namen dieses historischen kirchlichen Ereignisses, das von 6. bis 27. Oktober in Rom stattfinden wird. Das Ereignis sollte auf Deutsch „Amazonien-Synode“ genannt werden, und nicht „Amazonas-Synode“ – eine Bezeichnung, die da oder dort herumschwirrt. Denn es geht um das Gebiet Amazonien, ein riesiges Territorium mit einer Ausdehnung von 7,5 Millionen Quadratkilometern, und nicht nur um den Amazonas, den wasserreichsten Fluss des Planeten Erde.
Das Arbeitsdokument startet mit einem „Hören“. Es fasst Eingaben eines Prozesses zusammen, an dem sich mehr als 85.000 Menschen v.a. aus dem Amazonasgebiet beteiligt haben. Es geht – ganz im Sinn der Enzyklika „Laudato Si“ von Papst Franziskus - um das Hinhören auf den Schrei, der aus dem Amazonasgebiet emporsteigt und auf dem ganzen Planeten widerhallt: Ein Schrei der Menschen, die ihr Leben bedroht sehen, und ein Schrei der Erde bzw. Natur, die Gewalt erleidet.
Bemerkenswert ist die Klarheit, mit der existentielle lebensbedrohliche Probleme in Amazonien benannt werden, v.a. die Zerstörung des Lebens von Völkern und Arten durch die extraktivistische und einseitig auf Export ausgerichtete Wirtschaftsform. Dem wird mit großer Entschiedenheit und christlicher Überzeugung die Verteidigung des Lebens und das Konzept eines „guten Lebens für alle“ (einschließlich aller Lebewesen und des Bioms Amazonien) entgegengestellt. Das gilt für die Menschen und die Lebewesen vor Ort, im Amazonasgebiet, genauso wie für die Menschen und alle Lebewesen auf dem ganzen Planeten Erde, wegen der Bedeutung des Bioms Amazonien für das Weltklima aufgrund seiner Funktion als Kohlenstoffsenke.
Dass das ursprünglich indigene Weisheits-Konzept eines „Guten Lebens für alle“ (Buen vivir oder Sumak kasay) aufgegriffen wird, geht wohl auf eine Aufforderung von Papst Franziskus in Puerto Maldonado (Peru) im Jahr 2018 zurück, wo er sagte: „Es ist unabdingbar, einen interkulturellen Dialog zu führen, bei dem die indigenen Völker die vorrangigen Gesprächspartnerinnen sind. (…) Anerkennung und Dialog werden der beste Weg sein, um historische Beziehungen, die von Ausschluss und Diskriminierung geprägt sind, zu verwandeln.“ Im Arbeitsdokument heißt es dann im Anschluss an Laudato Si Nr. 14: „Dieser Dialog vor Ort, den die Kirche vorantreiben will, steht im Dienst am Leben und an der Zukunft des Planeten.“ (Documentum Laboris Nr. 35) Hier wird sichtbar, dass die Amazonien-Synode globale Relevanz hat.
Dass angesichts von Umweltzerstörung, Klimawandel und der Existenzbedrohung für die indigenen Völker die Zeit drängt, wird nicht als Anlass für Panik gesehen, sondern als Anstoß, endlich zu handeln und die notwendigen Maßnahmen zu setzen. So könnte aus der Krise ein „Kairos“, ein Gnadenmoment, werden. Das ist die Hoffnung, die die Kirche und die Menschen Amazoniens an die Synode knüpfen.
Ein eigenes Kapitel wird jenen geschätzten 110 bis 130 indigenen Völkern gewidmet, die im Amazonasgebiet in selbstgewählter Abgrenzung vom Kontakt mit der (westlichen) Zivilisation leben. Sie leben „in tiefgreifender Verbindung mit der Natur“, sagt das Dokument, und sie „leisten Widerstand gegenüber dem gegenwärtigen wirtschaftlichen Entwicklungsmodell, das räuberisch, völkermordend und naturzerstörend ist, indem sie sich für die Gefangenschaft entscheiden, um in Freiheit zu leben.“ Angesichts dieser Realität werden verschiedene Maßnahmen vorgeschlagen, um das Leben dieser Völker zu bewahren und von ihnen zu lernen. Damit geht die Kirche wirklich „an die Ränder“, wie Papst Franziskus es wiederholt eingefordert hat, tritt für die Verletzlichsten ein und anerkennt zugleich ihren Wert und ihre Würde.
Missionsverständnis, Liturgie und Dienstämter
Bei der Amazoniensynode geht es darum, über die Mission der Kirche nachzudenken. Sie wird vor allem als Dialog verstanden, der auf „neuen Wegen“ umgesetzt werden soll: Als Dialog mit den Völkern Amazoniens, als Lernerfahrung und als Widerstand gegen kolonisierende Vorgehensweisen. Eine Kirche mit amazonischem und indigenem Gesicht soll entstehen, indem kulturelle Vielfalt als Reichtum gesehen und bejaht wird, eine Inkulturation des Glaubens in die verschiedenen Kulturen geschieht und ein entschiedener Einsatz für die Bewahrung der Schöpfung und eine klare Option für die Armen gelebt werden. „Die vorrangige Option für die Armen ist das hermeneutische Kriterium für die Analyse von Vorschlägen zum Aufbau der Gesellschaft und das Kriterium für das Selbstverständnis der Kirche“, heißt es in Nr. 109.
Das Arbeitsdokument motiviert zu Überlegungen, wie die Liturgie verstärkt durch die Spiritualität der Völker Amazoniens geprägt werden könnte, um das Leben und die Widerstandskraft der Gemeinden zu stärken. So wird ein Unterscheidungsprozess angeregt „bezüglich der Riten, Symbole und Feierstile in indigenen Kulturen, die in Kontakt mit der Natur stehen, und die aufgenommen werden müssen in das liturgische und sakramentale Ritual“ (Nr. 126a). Darüber hinaus wird vorgeschlagen, jenen Personen offizielle kirchliche Anerkennung und Beauftragung zu geben, die in den weit verstreuten kirchlichen Gemeinden die Leitung wahrnehmen und in verschiedenen Diensten das kirchliche Leben aufrecht erhalten. Da „die Kirche von der Eucharistie lebt und die Eucharistie die Kirche aufbaut“, die Gemeinden aber aufgrund fehlender Priester oft die Eucharistie nicht feiern können, „wird darum gebeten, dass – statt die Gemeinden ohne Eucharistie zu lassen - die Kriterien zur Auswahl und Vorbereitung der zum Vorstehen der Eucharistie autorisierten Dienstämter geändert werden.“ (Nr. 126c)
Worum es geht
Am Schluss des Dokumentes wird die Intention der Synode kurz zusammengefasst. Es geht darum, den Stimmen Amazoniens Raum zu geben, die in ihren existentiellen Nöten auf neue Antworten hoffen, damit neue Wege zu einem Kairos für die Kirche und die Welt führen. „Wir hoffen, dass diese Synode ein konkreter Ausdruck der Synodalität einer Kirche im Aufbruch wird, damit das Leben in Fülle, das Jesus der Welt brachte, bei allen ankommt, und besonders bei den Armen.“ (Nr. 147)