Vorbereitungsdokument für Amazonien-Synode erschienen
Das am 8. Juni veröffentlichte Papier dient zur Einstimmung und Vorbereitung der für Oktober 2019 anberaumten Amazonien-Synode. Das Thema der geplanten Synode trifft ins Zentrum des KOO-Arbeitsgebietes, sollen dort doch entwicklungspolitische und ökologische Anliegen mit dem missionarischen Auftrag zusammengedacht und anhand des Beispiels der Amazonien-Region (Brasilien, Kolumbien, Peru, Venezuela und Bolivien) konkretisiert werden. Die Kombination aus spirituellem wie politischem Auftrag dient als Impuls für andere Regionen in der Welt, die an ähnlichen Problemen leiden.
Das nun erschienene Vorbereitungspapier gestaltet sich als eine Exemplifizierung und Kontextualisierung der päpstlichen Dokumente Evangelii Gaudium und Laudato Si mit Sitz im realen Leben. Die vielfachen Bezüge zu beiden Dokumenten verdeutlichen die inhaltliche Konsistenz des Vorhabens. Darin eingebettet sind konkrete Handlungsfelder, die Papst Franziskus als eindeutige Verpflichtung für alle Gläubigen identifiziert, um Gottes Werk zu erhalten. Ziel ist es, mit Hilfe des natürlicher und spiritueller Reichtums der Region und ihrer Menschen zum einen die Vollkommenheit göttlicher Schöpfung sichtbar und zum anderen die Dringlichkeit zur Transformation klar aufzuzeigen. Kirche muss sich neu und geeint in Vielfalt auf den Weg machen, um ihren spirituellen, missionarischen und politischen Auftrag zu leben.
Grundsätzlich ist das Papier nach der Methode des missionstheologisch-ethischen Dreischritts: Sehen—Urteilen—Handeln strukturiert.
In der Einleitung wird dargelegt, dass die Amazonas Region als spezifisches Beispiel verwendet wird. Gerade die Wertschätzung der Lebens- und Sichtweise Indigener durchzieht das gesamte Dokument. Allerdings wird betont, dass die identifizierten Probleme, die zu stellenden Fragen sowie die daraus folgenden Überlegungen und Handlungsoptionen universell anwendbar sind und den ganzen Planeten betreffen. Denn es brauche, um als Menschheit und als Kirche zu überleben, das Zuhören für indigene Sichtweisen und Erfahrungen und eine darauf aufbauende globale Zusammenarbeit. Dadurch könnten die Strukturen der Sünde beenden und ein Netzwerk der Solidarität und Interkulturalität aufgebaut werden.
Im ersten Kapitel „Sehen“ wird der ökologische und kulturelle Reichtum der Region und seiner Menschen sowie dessen Bedeutung für die Erde thematisiert. Auch die sozio-kulturelle Vielfalt, geprägt durch die natürliche Beschaffenheit und Unterschiedlichkeit zwischen den Völkern in der Region, wird betont. Aber gerade der Reichtum an Biodiversität sei der Grund für die Gefahren, denen die Region ausgesetzt ist. Vor allem ökonomische und machtpolitische Interessen in den Bereichen Landwirtschaft, Rohstoff- sowie Holzgewinnung trieben die Verschmutzung und Zerstörung der Natur, die Vertreibung und Verarmung der indigenen Völker voran.
Der Identität Indigener wird anschließend ein eigenes Unterkapitel gewidmet. Neben den 390 verschiedenen Völkern gebe es bis zu 130 Völker, die in freiwilliger Isolation leben (PIAV) und einen neue, dritte Kategorie: die „unsichtbaren“ Indigenen, die in urbanen Regionen und Industrieprozessen verschwinden. Gerade die indigene Bevölkerung sei von Marginalisierung, Ausbeutung und Diskriminierung betroffen, obwohl ihre Tradition durch Naturverbundenheit, eine intensive Gemeinschaftsorientierung sowie eine tiefe Spiritualität geprägt sei. Das mache für sie das gute Leben aus.
Die kirchliche Präsenz in der Amazonien-Region habe ihre Wurzeln im Kolonialismus. Die damit einhergehende Unterdrückung und Verletzung der Menschen gehöre daher zu den traurigsten Abschnitten der Geschichte in der Region. Auch heute noch bestünden Vorgänge der Kolonialisierung, die Menschen herabsetzen und schwächen/marginalisieren.
Papst Franziskus fordert deshalb einen Wandel des Paradigmas, und damit die Abwendung von Gier sowie einem ausbeuterischen Wirtschaftshandeln, hin zur Wertschätzung der Natur und des Menschen als Gottes Geschöpfe.
Im zweiten Kapitel „Urteilen“ wird die biblisch-theologische Dimension erörtert. Von Genesis über Matthäus bis hin zum Katechismus werden die göttliche Präsenz in der Schöpfung und die Verantwortung des Menschen dafür, dass jedes einzelne Wesen Gott lobpreisen können soll, entfaltet. Dabei wird hervorgehoben, dass gerade die Evangelisierung eine soziale Dimension enthalte. Nur durch eine Hinwendung zum Anderen und einen Einsatz für ein gutes Leben für alle könne das Himmelreich auf Erden zu seiner Vollgestalt finden. Dementsprechend sei die Kirche aufgerufen, die Völker Amazoniens auf ihrem Weg zu begleiten:
„This social – and even cosmic – dimension of the mission of evangelization is particularly relevant in the Amazon region, where the interconnectivity between human life, ecosystems, and spiritual life was, and continues to be, apparent to the vast majority of its inhabitants. Destruction is “a trail of waste and even death, throughout the region. [...] It endangers the lives of millions of people, and especially the habitat of rural and indigenous peoples” (DAp 473). Refusal to care for our Common Home “is an offence against the Creator, an attack on biodiversity and, in short, on life itself” (DAp 125).“
Auch die ökologische Dimension wird in den Blick genommen. Die integrale Ökologie als Gesamtkonzept verdeutliche, dass Mensch und Natur nicht voneinander zu trennende Einzelwirklichkeiten sind, sondern miteinander in Beziehung und Austausch stehen. Daher bedingen auch ökologische und soziale Probleme einander und können nur mit ganzheitlichen Lösungsansätzen angegangen werden. In der Amazonas-Region müsse somit kirchliches Handeln die Sorge um die Natur mit der Sorge um die Menschen in Einklang bringen und das Leben in persönlicher, gemeinschaftlicher und ökologischer Harmonie fördern. Dies impliziere eine persönliche, gemeinschaftliche und ökologische Neugestaltung auf der Basis eines radikalen Wandels des Systems.
Die sakramentale Dimension umfasst die Präsenz der Natur und damit Gottes Werk in den Sakramenten der Kirche. Somit sei die kosmische Liebe für die Schöpfung zentraler Bestandteil christlicher Rituale, die Christen zum Auftrag werde, sich als Gemeinschaft für die Gestaltung der Schöpfung einzusetzen und ihre Verantwortung als Verwalter/Verwalterin wahrzunehmen.
Die kirchlich-missionarische Dimension entfaltet sich im Auftrag, das kirchliche Prinzip der Einheit in Vielfalt als Ressource zu würdigen und dem sensus fidei zu folgen in der Beantwortung aktueller Fragen zur Präsenz der Priester, der Feier der Eucharistie u.a.
Im dritten Kapitel „Handeln“ wird dazu aufgerufen, in den Reichtum der Vielfalt der Amazonien-Region und in deren Weisheit einzutauchen, ohne diese zu beschädigen. Kirche sei dazu beauftragt, ihre persönliche Perspektive zu erden und ihre Spiritualität von der vorhandenen Weisheit bereichern zu lassen. In der Synode solle das Gesicht der Kirche neu entwickelt, ihre Antworten auf die Ungerechtigkeiten vor Ort ausbuchstabiert werden.
Zur prophetischen Dimension gehört, dass es angesichts sozio-ökologischer Krisen dringend geboten sei, einen Transformationsprozess zu initiieren. Eine globale Perspektive und Handlung, weit über das Engagement Einzelner hinaus, seien von Nöten. Aus einem Dialog der spirituellen und kulturellen Traditionen heraus könne ein Konsens über eine ganzheitliche und nachhaltige Entwicklung gefunden werden. Die Abkehr vom Individualismus und der Konsumorientierung sei Teil eines moralischen Aktes, nicht nur eines ökonomischen, der Raum schaffe für neue Perspektiven persönlicher wie gemeinschaftlicher Transformation. Dabei wäre es für westliche Kulturen entscheidend, von indigenen und anderen Zugängen zur Wirklichkeit zu lernen. Die Christinnen und Christen im Westen müssten von ihnen evangelisiert werden, was bedeutet „lending our voice to their causes, but also [we are called] to be their friends, to listen to them, to speak for them, and to embrace the mysterious wisdom which God wishes to share with us through them” (EG 198).
Das vorletzte Unterkapitel widmet sich dem Priestertum vor dem Hintergrund Amazoniens. Darin wird die Aufforderung formuliert, die geographische Ausdehnung der Region, ihre kulturelle Vielfalt und die einflussreichen nationalen und internationalen Interessen daran zu berücksichtigen. Darauf aufbauend soll das Modell einer alternativen, ganzheitlichen und solidaritätsbasierten Entwicklung konzipiert werden, welches die Unterordnung ethischer Kriterien unter ökonomische oder technologische Interessen zurückweist. Damit verbunden seien neue Inhalte, Methoden und Einstellungen, um das Priestertum handlungsfähig in Bezug auf die Herausforderungen der Distanzen und Bedürfnisse der Gemeinden zu machen. Auch neue offizielle Beauftragungen von Frauen und die Pflege indigener Kleriker solle geprüft werden.
Zum Ende hin folgt die Einladung an alle Gläubigen, sich mit offenem Herzen auf diese neue Reise der Kirche einzulassen. Alle Menschen guten Willens und alle mit Einfluss in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft seien aufgerufen, hier zu VerwalterInnen der Schöpfung zu werden und Anzeichen der Zerstörung und des Todes nicht mehr länger zuzulassen. Abschließend werden die Menschen Amazoniens angehalten, den Klerikern und Ordensleuten unterstützend zur Seite zu stehen, um die neue Kirche Amazoniens auszugestalten.