Expertin: Österreichs Kirche weltweite Vorreiterin bei Divestment
Wien, 28.03.2019 (KAP) Der in der Vorwoche von den Bischöfen beschlossene Rückzug des Kirchenvermögens aus allen Unternehmen, die fossile Energieträger fördern, ist für die kirchliche Entwicklungszusammenarbeit-Expertin Anja Appel ein "wirklicher Meilenstein": "Österreich ist nach Belgien und Irland die dritte Bischofskonferenz weltweit, die sich mit allen Diözesen zum sogenannten Divestment entschieden hat. Man kann die Bedeutung dieses Schrittes, der international viel Eindruck hinterlassen hat und ein starkes Signal ist, nicht hoch genug einschätzen", sagte die Geschäftsführerin der Koordinierungsstelle für Entwicklung und Mission (KOO) am Donnerstag im Interview mit der Nachrichtenagentur "Kathpress".
Kardinal Christoph Schönborn hatte zuletzt die Entscheidung der Österreichischen Bischofskonferenz bekanntgegeben, wonach die katholischen Diözesen samt aller Organisationen in ihrem Wirkungsbereich - darunter auch die Pfarren - bis 2024 ihr Geldveranlagungen aus allen Unternehmen, die fossile Brennstoffe wie Kohle, Öl oder Erdgas fördern bzw. produzieren, zurückziehen. Damit wird die 2017 beschlossene kirchliche Richtlinie für ethische Investments, die Kohleförderung und Fracking ausschloss, deutlich verschärft. Zur Überprüfung der Umsetzung der neuen Vorgaben soll eine Ständige Kommission eingerichtet werden.
Die Divestment-Entscheidung der Bischöfe schlug bereits international Wellen: Mehrere US-amerikanische, britische und italienischsprachige Portale verwiesen in Berichten darauf, wobei Tomas Insua vom Global Catholic Climate Movement (GCCM) darin der österreichischen Kirche für ihren "prophetischen Schritt für Klimagerechtigkeit" gratulierte. Angesichts des nur noch kurzen verbleibenden Zeitfensters, in dem die Kurve der Treibhausgasemissionen gesenkt werden könne, seien die Bischöfe einen "riesigen Schritt in die richtige Richtung" gegangen, so Insua.
KOO-Geschäftsführerin Appel deutet das kirchliche Divestment als "Zeichen einer begonnenen Transformation", welche auch Papst Franziskus beharrlich einfordere. Der "Mut" der Bischöfe komme nicht von ungefähr, sei doch in den vergangenen Jahrzehnten in Sachen Klimaschutz und Schöpfungsverantwortung schon viel Vorarbeit geschehen und Sensibilität entstanden. Appel hob im Kathpress-Gespräch besonders die Tätigkeit der diözesanen Umweltbeauftragten, der an der Ausformulierung beteiligten Arbeitsgruppe und der Finanzkammerdirektoren der österreichischen Diözesen hervor. Auch die KOO und ihre Mitgliedsorganisationen stünden klar hinter den neuen Vorgaben, ein Nachziehen der Ordensgemeinschaften sei absehbar.
Profit nicht das Wichtigste
Freilich seien durch die Richtlinien auch manche Irritationen vorprogrammiert, was Appel auf Unterschiede im Grundverständnis zurückführte: Für Unternehmen - von denen sieben der zehn weltweit größten im Bereich Erdöl und Gas tätig sind - sei die wichtigste Währung das Geld. "Für uns sind es der Glaube und die Gerechtigkeit", so die KOO-Geschäftsführerin. Der vorrangige Auftrag der Kirche sei nicht der Profit, sondern, "das Reich Gottes hier auf Erden bestmöglich zu unterstützen. Sieht man, was wir der Schöpfung antun durch die Zerstörung der Vielfalt und von Menschenleben, so muss man das so weit wie möglich stoppen."
Schätzungen zufolge beträgt der Umfang der von Divestment betroffenen Wertpapiere 1,5 bis 2 Prozent der Veranlagungen der Diözesen und Pfarren. Für die Veranlagungen, die etwa zur Wertsicherung von Mitarbeiter-Rücklagen genutzt werden, stehe nun statt Öl, Kohle und Gas eine ohnehin weiter große Vielfalt alternativer Wirtschaftsformen zur Verfügung, wies Appel hin. Ohnehin sei jedoch der Ausstieg aus Firmen, die fossile Rohstoffe fördern, auch ökonomisch sinnvoll: "Fossil ist ein Auslaufmodell", so die KOO-Geschäftsführerin in Anspielung auf ein von Beobachtern erwartetes Zusammenbrechen einer Kohlenstoff-Spekulationsblase.
Erfolg einer Enzyklika
Vor den österreichischen Bischöfen haben weltweit bereits 1.031 Institutionen eine Divestment-Erklärung unterzeichnet, wobei 28 Prozent davon Kirchen und Glaubensgemeinschaften ausmachen. Appel hob hervor, dass es in diesem Bereich stärker als sonst auf die enge Zusammenarbeit mit anderen Gruppen der Zivilgesellschaft ankomme. "Die anderen sehen: Die Kirche ist hier Vorreiterin, stärkt uns und engagiert sich mit uns - auch wenn wir auf anderen Gebieten vielleicht nicht einer Meinung sind."
Dass die Kirche derart energisch diesen Kurs eingeschlagen habe, sei in großen Teilen auch Verdienst der Papst-Enzyklika "Laudato si": "Franziskus hat damit zwar nur zu Wort gebracht, was viele Aktivisten wie auch die Umweltbeauftragten schon lange vertreten haben. Durch seine Autorität und seine Art, es zu sagen, hat er jedoch ganz neuen Schwung gebracht." Das heutige Klima-Engagement der Kirche sei für sie "ohne der Enzyklika nicht vorstellbar", so die Expertin.