EU CO₂-Grenzausgleichsmechanismus trifft ärmste Länder
VIDC, Allianz für Klimagerechtigkeit, KOO und einige ihrer Mitglieder haben sowohl österreichische als auch internationale Entscheidungstragende im Vorfeld des EU Ratsbeschlusses auf Probleme im EU CO₂-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) hingewiesen und Veränderungen gefordert.
Ein gemeinsamer Brief mit weiteren zivilgesellschaftlichen Organisationen wurde schon im Oktober 2022 an eine Reihe an Stakeholder auf österreichischer und EU-Ebene gesendet – mit verhaltener Zahl an Rückmeldungen. Der gemeinsame Brief zum download sowie Hintergrundinformationen zu entwicklungspolitischen Aspekten von CBAM (VIDC Policy Brief).
Im November brachten wir unsere Kernforderungen nochmal vor:
- Wir sind ernsthaft besorgt, dass CBAM ärmere Länder unverhältnismäßig stark treffen wird. Deshalb sehen wir es als notwendig an, dass ein Betrag in Höhe aller CBAM-Einnahmen für neue und zusätzliche internationale Klimafinanzierung insbesondere für die am wenigsten entwickelten Länder (LDCs) und die kleinen Inselstaaten unter den Entwicklungsländern (SIDS) bereitgestellt wird.
- Um die Verdoppelung von Schutzinstrumenten gegen Carbon Leakage durch abwandernde europäische Industrie zu vermeiden, benötigt es ein rascheres Auslaufen der kostenlosen Zertifikate für EU Emittent*innen bis spätestens 2032. CBAM und die Gratiszuteilung von Emissionszertifikaten haben dasselbe Ziel und sollten daher nicht parallel eingesetzt werden.
- Aus entwicklungspolitischer Sicht ist uns zudem ein Anliegen, dass Least Developed Countries (LDCs) sowie Small Island Developing States (SIDS) eine längere Übergangsfrist für die Verpflichtung zum CBAM bekommen. Diese Länder machen einerseits ein sehr geringes Volumen des EU Importes der vom CBAM betroffenen Waren aus, andererseits stehen ihnen äußerst geringe Ressourcen zur Anpassung an die Emissionsstandards der EU zur Verfügung. Überdies sind manche von ihnen (wie etwa Mosambik im Falle von Aluminium) in höchstem Maße von Exporten in die EU abhängig. Ein kontextblinder CBAM kann daher die Fähigkeit zur Ressourcenmobilisierung u.a. für den Klimaschutz in diesen Ländern stark limitieren.
Die Position des EU Rates erfüllte diese Forderungen jedoch nicht. Nun liegt es am EU Parlament, eine umsichtigere Position einzunehmen und im Trilog im Frühjahr 2023 durchzusetzen.
Unsere Reaktion auf die Position des Rates
EU - CO₂-Grenzausgleichsmechanismus trifft ärmste Länder im Globalen Süden hart
Allianz für Klimagerechtigkeit und VIDC fordern Unterstützungsmaßnahmen und rasches Aus für Freizertifikate im EU-Emissionshandel
(Wien, 13.12.22) Heute wurden nach Angaben des Rats der EU (1) die Trilog-Verhandlungen über den CO₂-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) abgeschlossen. CBAM ist ein zentraler Teil des „Fit for 55“-Klimapakets der Europäischen Union. Damit soll der Treibhausgasgehalt von energieintensiv erzeugten Importen bepreist werden. Doch CBAM wird am wenigsten entwickelte Länder sowie arme Inselstaaten unverhältnismäßig hart treffen. Also Staaten, die am stärksten von der Klimaerwärmung betroffen sind, aber am wenigsten zu ihr beigetragen haben.
„Wir bedauern, dass die EU diese Länder nicht einmal temporär vom CO₂-Grenzausgleichsmechanismus ausnehmen will. Man ist auch nicht bereit, ihnen die dadurch lukrierten Einnahmen für Klimamaßnahmen zur Verfügung zu stellen,“ kritisiert Martina Neuwirth vom Vienna Institute for International Dialogue and Cooperation (VIDC). „Mosambik führt mehr als die Hälfte seiner Aluminiumexporte in die EU ein. Es gehört zu den am stärksten von CBAM betroffenen Ländern. Die Regierungseinnahmen werden sich verringern und damit auch die Möglichkeiten, sich gegen die Folgen des Klimawandels zu wappnen.“ Mosambik ist eines der Schwerpunktländer der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit.
„Darüber hinaus müssen die gratis zugeteilten Zertifikate im Rahmen des EU-Emissionshandels so bald wie möglich, bis spätestens 2032, auslaufen. Denn der CO₂-Grenzausgleichsmechanismus CBAM und die Gratiszertifikaten haben dasselbe Ziel, nämlich EU-Industrien vor der Konkurrenz aus Ländern mit geringeren Umwelt- und Klimastandards zu schützen (‚carbon leakage‘)“, erläutert Martin Krenn, Sprecher der Allianz für Klimagerechtigkeit. (2)
Im Oktober hatten über zwanzig europäische und afrikanische Organisationen und Netzwerke der Zivilgesellschaft diese Forderungen unter anderem an Bundesministerin Gewessler und Finanzminister Brunner gerichtet. (3)
„Da der nun beschlossene Mechanismus die am wenigsten entwickelten Länder und die kleinen Inselstaaten besonders schwer trifft, müssen die EU und ihre Mitgliedsstaaten als Kompensation dafür ihre internationale Klimafinanzierung gezielt erhöhen“, fordert Martin Krenn.
Nachfragehinweis
Martina Neuwirth, VIDC, neuwirth@vidc.org, Tel. 0664 5206878
Martin Krenn, Allianz für Klimagerechtigkeit, m.krenn@koo.at, Tel. 0676 769 8431
Fußnoten
(1) EU climate action: provisional agreement reached on Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM), Pressemitteilung des Rats der EU vom 13. Dezember 2022
(2) Die Allianz für Klimagerechtigkeit ist eine Plattform von 26 österreichischen Nichtregierungsorganisationen aus den Bereichen Umwelt, Entwicklungszusammenarbeit, Soziales und Humanitäre Hilfe (www.klimaallianz.at). Das VIDC ist im entwicklungspolitischen Bereich tätig (www.vidc.org).
(3) Hier finden Sie den Brief an Frau Bundesministerin Gewessler. Ein gleichlautender Brief wurde auch an Herrn Finanzminister Brunner gerichtet.