COP27: Ein Meilenstein und viel Orientierungslosigkeit
Bei der Stärkung des Klimaschutzes und der versprochenen finanziellen Unterstützung für Klimamaßnahmen in armen Staaten scheitert die Konferenz jedoch katastrophal.
Der nach 30 Jahren Verhandlungen historische Beschluss einen eigenen Finanztopf zur Unterstützung jener Menschen, die aufgrund der geografischen Lage und der finanziellen Ressourcen ihrer Staaten am stärksten unter den Auswirkungen der Erderhitzung leiden, hat die Klimakonferenz in Ägypten gerettet. Bei den sogenannten Schäden und Verlusten geht es nicht um Schadenersatzansprüche für vergangene Schäden, sondern um die rasche, nachhaltige und zielgerichtete Hilfe für die aktuell und zukünftig von der Klimakrise bedrohte Bevölkerung im Globalen Süden. Nach anfänglicher Blockade dieses Anliegens durch die reichen Industriestaaten, hat das Umschwenken der Europäischen Union den Ausschlag für den Erfolg gegeben. Auch die Delegation des Heiligen Stuhls, welche erstmals als vollwertige Verhandlungspartei an der Konferenz mitwirkte, hatte sich dafür diese neue Institution eingesetzt. Es ist ein erster Schritt, der globalen Ungerechtigkeit zwischen den Hauptverursachern und den am stärksten von der Erderhitzung Betroffenen entgegenzuwirken. In den kommenden Monaten müssen die Rahmenbedingungen des Fonds so gesetzt werden, dass dieser bei Katastrophenfällen einfach zugänglich ausreichend gefüllt ist. Positiv bewertet die KOO auch die erfolgreiche Operationalisierung des sogenannten Santiago Network, einer Plattform zur technischen Unterstützung der vulnerabelsten Länder bei der Behebung von Schäden.
Die alarmierendste Enttäuschung der COP27 unter der zu Recht für ihre mangelnde Verhandlungsführung kritisierten Ägyptischen Präsidentschaft ist das Fehlen eines klaren und starken Aufrufs zum endgültigen Aus für alle fossilen Energieträger. Hatte sich Indien im letzten Jahr – wo erstmals eine Reduktion (phase-down) der Kohlenutzung beschlossen wurde – noch quergelegt, so hatten sich in Sharm El-Sheik endlich eine große Zahl an Staaten für das Auslaufen (phase-out) aller fossilen Energieträger eingesetzt, wie dies auch die Wissenschaft und internationale Organisationen fordern. Die großen erdölproduzierenden Länder und die Unmenge an Lobbyisten des fossilen Sektors haben dies jedoch verhindert. Durch ihr Zögern gefährdet die Staatengemeinschaft fahrlässig das Leben und die Lebensgrundlagen der am stärksten betroffenen Menschen. Ein kleiner Lichtblick ist das neu beschlossene Klimaschutz-Arbeitsprogramm, welches ab nun jährlich Empfehlungen an die Klimakonferenz geben wird, um dieses entscheidende Jahrzehnt für den Klimaschutz bestmöglich zu nutzen.
Viele Verhandlungsbereiche beschäftigten sich wieder mit der finanziellen Unterstützung von Ländern des Globalen Südens durch Industriestaaten beim eigenen Klimaschutz und beim Schutz ihrer Bevölkerung durch Anpassungsmaßnahmen – der sogenannten internationalen Klimafinanzierung. Jedoch wurde kein Fortschritt beim Schließen der Lücke zu den versprochenen 100 Milliarden USD erreicht – 2020 wurden lediglich 83,3 Mrd. USD zur Verfügung gestellt und davon waren 70% verzinste Kredite. Die ursprünglich im Beschlusstext erwähnte Kompensation des bisherigen Fehlbetrags wurde von der EU und anderen Industriestaaten herausreklamiert – was gegen die Zusage des Pariser Abkommens spricht. Immerhin wurde das Problem der Überschuldung von Ländern des Globalen Südens durch diese Klima-Kredite in der Abschlusserklärung der COP27 anerkannt, Gegenmaßnahmen sucht man darin aber vergeblich. Ebenso hat die im letzten Jahr versprochene Verdoppelung der Unterstützung für Anpassungsmaßnahmen keinen Fahrplan bekommen – es somit nicht klar, ob auch diese Versprechen gebrochen wird.
Vorausschauend und angesichts des enorm steigenden Finanzierungsbedarfs für Klimamaßnahmen in allen Ländern der Welt arbeitet die Klimakonferenz auf ein neues internationales Finanzierungsziel bis 2025 hin. Jedoch fehlt auch hier Führungsstärke und Mut der Staatengemeinschaft und anstatt klare Richtungsvorgaben für dieses Ziel zu geben, wurden nicht einmal die zukünftig zu besprechenden Aspekte des neuen Unterstützungsziels für Länder des Globalen Südens festgelegt. Die EU mit Österreich spielte hier keine rühmliche Rolle, da sie sich auf keinen Richtungsbeschluss zu dem Ziel vor dem Jahr 2024 einlassen wollte.
Schlussendlich haben viele Entwicklungsländer leider auch ein Vorankommen beim dritten Ziel des Pariser Abkommens, dem Aus für alle globalen Investitionen in fossile Energieträger, fast verhindert. Angesichts der global nach wie vor um ein Vielfaches umfangreicheren Investitionen in fossile Energie im Vergleich zu erneuerbaren Energieträgern ist die Ausrichtung aller globalen Finanzströme am Pariser Abkommen unumgänglich zur Einhaltung des 1,5°C Ziels. Klar muss jedoch auch für alle Industriestaaten sein, dass diese Bemühungen ausschließlich zusätzlich zu den notwendigen finanziellen Unterstützungen der internationalen Klimafinanzierung erfolgen müssen. „Durch das Ausblenden der massiven Investitionen in fossile Energie bei den Klimakonferenzen bohren wir weiterhin tödliche Löcher in unser sinkendes Schiff Erde“, ist Martin Krenn, Klimaexperte der Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz über die Versäumnisse der Konferenz empört.
Papst Franziskus erhoffte sich von der COP27 Erfolge im „Kielwasser des Pariser Abkommens“. Auf langen Strecken der Konferenz schien es jedoch viel mehr so, als ob das Pariser Abkommen vor dem Ertrinken in kurzsichtigen nationalen Prioritäten der Verhandlungsstaaten gerettet werden müsste. Diese Klimakonferenz wird nicht nur aufgrund des verheerenden Umgangs mit den Menschenrechten von Aktivist*innen des Austragungslandes in Erinnerung bleiben, sondern auch aufgrund des Versagens Löschwasser für unser brennendes Haus bereitzustellen. Denn so groß kann der neue Fond für Schäden und Verluste gar nicht werden, als dass wir damit einer davongaloppierenden Erderhitzung bei Verfehlen des 1,5°C Zieles begegnen könnten.