Klimakonferenz bringt wichtige Impulse, lässt aber Opfer im Stich
(Glasgow, 14.11.2021) Der Klimagipfel in Glasgow brachte Fortschritte in einer Reihe von bisher aufgeschobenen Teilbereichen des Pariser Abkommens. Die heißen Eisen der finanziellen Unterstützung brachten jedoch Großteils herbe Enttäuschungen. Eine Kurzanalyse von Martin Krenn, KOO.
Nachdem Alok Sharma, der Präsident der 26. Klimakonferenz, mit seinem Hammerschlag das Abschlussdokument für beschossen erklärte, war in Glasgow zwar Erleichterung zu spüren, aber es war auch sehr viel Gram, Enttäuschung und auch Zorn in die Gesichter der Verhandler*innen und Beobachter*innen geschrieben. Die Verhandlungserfolge waren in den einzelnen Teilbereichen sehr unterschiedlich und ob das 1,5 Grad Ziel mit dem „Glasgow Climate Pact“ am Leben gehalten wurde (so das Motto der Konferenz) konnte wohl niemand ernsthaft beantworten.
Beim Klimaschutz, der Verringerung der Treibhausgasemissionen, war man mit der furchteinflößenden Perspektive auf 2,7°C Erderhitzung bis zum Ende des Jahrhunderts in die Konferenz gegangen. Die Dringlichkeit für schnellere Emissionsreduktionen wurde daher auch klar anerkannt. Viele Staats- und Regierungschefs lieferten zudem zum Start des Events in ihren Reden langfristige Reduktionszusagen mit vielen schönen Worten. Aber die kurzfristig nachgelieferten nationalen Klimaziele wurden dieser Dringlichkeit noch nicht gerecht. Daher ist die konkrete Aufforderung an alle Staaten zur Verbesserung ihrer nationalen Ziele bis zum Klimagipfel im nächsten Jahr ein äußerst notwendiger Erfolg von Glasgow. Ob das 1,5 Grad Ziel noch am Leben ist, hängt aber davon ab, ob alle Staaten ihre Ziele tatsächlich nachschärfen und schon heute ohne Zögern radikale Emissionsreduktionen national umsetzen.
Die Konferenz wollte auch ein klares Zeichen für das Ende von fossiler Energie, der Hauptuhrsache der Erderhitzung, setzen. Ein vermeintlicher Hoffnungsschimmer, das Ende der Kohle, wurde jedoch in der letzten Stunde der Verhandlungen zerstört. Zurück bleibt das Signal, dass öffentliche Gelder für fossile Energie keinen Platz in der Zukunft haben. Das wissenschaftlich notwendige komplette Aus für Kohle, Öl und Gas wurde in Glasgow eindeutig verfehlt. Hier versagt das UN-System seit Jahren - Menschenleben wiegen offensichtlich weniger als nationale Profitinteressen.
Die internationale Klimafinanzierung war auch diesmal wieder ein sich durch alle Verhandlungsstränge durchziehendes Thema. Dabei geht es um die finanzielle Unterstützung von Entwicklungsländern zur Bewältigung der großen Transformation in Richtung treibhausgas-arme Entwicklung und den Schutz ihrer Bevölkerung vor den Folgen der Klimakrise. Allgemein bekannt war schon vor der Konferenz, dass die versprochenen 100 Mrd. USD an jährlicher Unterstützung von den Industriestaaten nicht geliefert wurden. Obwohl letztere dies „mit großem Bedauern“ eingestanden, konnte zumindest eine klare Aufforderung zur Verdoppelung der Finanzierung für Anpassungsmaßnahmen bis 2025 errungen werden. Das kann dann einen konkreten Unterschied für die am meisten unter der Erderhitzung leidenden Menschen haben, wenn dieses Geld auch rasch und einfach zugänglich ist. Auch die Erarbeitung des zukünftigen finanziellen Unterstützungsziels wurde wie geplant auf den Weg gebracht. Aber darauf, wie ein neues Klimafinanzierungsziel aussehen soll, wollten sich die Industriestaaten nicht festlegen lassen. Mit auf unser eigenes Land muss leider festgehalten werden, dass Österreich nicht den winzigsten finanziellen Beitrag nach Glasgow mitgebracht. Das Mindeste was die Bundesregierung im Anschluss an Glasgow machen sollte, ist eine beschleunigte Verdoppelung der Anpassungsfinanzierung schon bis 2023.
Zu dem für Entwicklungsländer vielleicht zentralsten Thema wurde die Diskussion über Schäden und Verluste – jenen Folgen von Klimakatastrophen, welchen nicht mehr mit Anpassungsmaßnahmen begegnet werden kann (z.B. Überflutungen, Stürme, Versalzung von Ackerland, Anstieg des Meeresspiegels). Auf der Konferenz konnte zumindest der technische Wissensaustausch zum Umgang mit Verlusten und Schäden institutionell gesichert werden. Aber das zentrale Element, das Errichten eines Finanzmechanismus für Maßnahmen bei Schäden und Verlusten wurde auf den letzten Metern von der EU und der USA vollkommen blockiert. Das ist eine Schandtat, welche unzählige Menschenleben betreffen wird.
Der letzte Baustein im sogenannten Pariser Regelwerk wurde mit dem Beschluss zur Umsetzung von internationalen Kohlenstoffmärkten (Handel mit Emissionszertifikaten von Projekten und Staaten) zum Leidwesen vieler zivilgesellschaftlicher Organisationen fertiggestellt. Das Desaster, dass bis zu acht Jahre alte und nutzlose Emissionszertifikate für nationale Ziele bis 2025 im neuen System akzeptiert wurden, kann man sich nicht einmal damit schön reden, dass die Abrechnung dieser Zertifikate mathematisch korrekt sein wird und es daraus Geld für den Anpassungs-Fond für Entwicklungsländer geben wird. Diese Kohlenstoffmärkte werden potentiell noch sehr viel Schaden für Menschen und das Klima anrichten.
Abschließend muss in dieser Bewertung von Glasgow noch hervorgehoben werden, dass die Mitwirkung der Zivilgesellschaft auf der Konferenz extremst eingeschränkt war. So einen Ausschluss von betroffenen Gruppen und kleinen Staaten hat es noch bei keiner Konferenz zuvor gegeben und darf es auch nie wieder geben. Die Streichung von Menschenrechten aus Arbeitsplänen, das Entfernen von Beobachter*innen aus den Verhandlungsräumen, unnachvollziehbare Deals hinter verschlossenen Türen und damit das Untergraben der Legitimität des gesamten multilateralen Klimaprozesses sind schrille Alarmzeichen dafür, dass eine gemeinsame Lösung nur unter Mitwirkung aller Betroffenen der Klimakrise funktionieren kann. Es bleibt dringend zu hoffen, dass das Sekretariat der UNFCCC und die nächste COP-Präsidentschaft aus Ägypten alles dafür geben werden, dass der nächste Klimagipfel um Welten besser verlaufen wird.
Weitere Reaktionen unter Mitwirkung der KOO:
Allianz für Klimagerechtigkeit: COP26 beschleunigt Klimaschutz, enttäuscht jedoch Opfer der Klimakatastrophe
Weltdachverband CIDSE: COP26 Misses the Chance to Deliver Real Ambitious Action and Transformation
Rückfragen:
Martin Krenn
Klimaexperte der Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz
+43 676 7698 431
m.krenn@koo.at