Weltklimakonferenz: KOO-Experte Krenn warnt vor Scheitern
Glasgow/Wien, 31.10.2021 (KAP) Ab Sonntag, dem 31.11. bis zum 12. November trifft sich die Staatengemeinschaft zur Weltklimakonferenz im schottischen Glasgow. Bei der Zusammenkunft soll über die weitere Umsetzung des Klimaabkommens von Paris beraten werden. Das am 12. Dezember 2015 abgeschlossene Klimaabkommen sieht vor, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur im Vergleich zum vorindustriellen Niveau auf unter 2 Grad, nach Möglichkeit auf unter 1,5 Grad, zu begrenzen. Dies soll durch Verminderungen beim Ausstoß von Kohlendioxid und anderen klimaschädlichen Gasen wie Methan oder Lachgas geschehen.
Vom Ziel der 1,5 Grad sei man aber meilenweit entfernt, warnte der Experte Martin Krenn von der KOO im Kathpress-Interview. Der KOO-Referent für Klimapolitik ist vor Ort in Glasgow, um den Gipfel zu beobachten und im Rahmen der Möglichkeiten von NGOs inhaltliche Akzente zu setzen.
Wenn man die bisher vorliegenden Klimaziele der Staaten hochrechne, komme man auf eine Erderwärmung von 2,7 Grad, warnte Krenn; mit katastrophalen Auswirkungen für alle Menschen auf der Welt. Hier brauche es in Glasgow dringend Nachbesserungen, nahm er u.a. auch Österreich in die Pflicht.
Wie Krenn weiter sagte, sei auch ein sofortiger Investitionsstopp in bzw. Subventionsstopp für fossile Energieträger bzw. Infrastruktur in solche Energieträger notwendig, um die Anstrengungen beim Klimaschutz nicht ständig zu torpedieren.
Ungeklärte Klimafinanzierung
Eine große Herausforderung sei auch noch die Klimafinanzierung. Die Industriestaaten hatten sich auf der Klimakonferenz im Jahr 2009 das Ziel gesetzt, ab 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar für Klimaprojekte in Entwicklungsländern bereitzustellen. Hier gebe es aber eine jährliche Lücke von mindestens 20 Milliarden Dollar, so Krenn. Und außerdem gelte die bisher noch nicht einmal erfüllte Selbstverpflichtung nur bis 2025. In Glasgow müssten auch die Weichen für ein verbindliches Ziel darüber hinaus gestellt werden.
Die Finanzierung müsse auch viel stärker als bisher auf die Bedürfnisse der Entwicklungsländer abgestimmt sein. Das betreffe unter anderem auch das Verhältnis von echten und damit nicht rückzahlbaren Zuschüssen im Vergleich zu Krediten, die bisher das Gros ausmachen würden. Krenn: "Hier muss sich ganz gravierend etwas ändern." Ein hoher Anteil an Krediten sei im Angesicht der sich verschärfenden Schuldenkrise "ein Riesenproblem".
Der KOO-Experte verwies in diesem Zusammenhang auch einmal mehr auf den Klimafinanzierungsbericht Österreichs, der zuletzt (2019) mit etwa 350 Millionen Euro bemessen war. Er habe größtenteils aus zurückzuzahlenden Krediten in Entwicklungsländern bestanden, kritisierte Krenn. Die geringeren Zuschüsse würden hauptsächlich an internationale Finanzinstitutionen gezahlt, nur der geringste, relativ konstante Teil (46 Millionen Euro) wird in von Österreich mitgestalteten Projekten unter anderem durch die Entwicklungszusammenarbeit umgesetzt.
Ganz grundsätzlich würden zudem viel zu wenige Mittel in den Entwicklungs- ländern in Anpassungsmaßnahmen an die Erderhitzung fließen. "Die Menschen brauchen finanzielle Unterstützung, um sich vor den immer stärker werdenden Folgen der Erderhitzung zu schützen und sich ihnen anzupasssen. Solange das nicht ausreichend passiert, wird auch der Fortschritt in diesen Ländern bei weiteren Klimaschutzmaßnahmen gehemmt sein", zeigte sich Krenn überzeugt. Er plädiert dafür, das beschlossene ausbalancierte Verhältnis zwischen Anpassungsmaßnahmen und Klimaschutz schnellstmöglich zu erreichen und ebenso müssen die wirtschaftlich starken Länder endlich Entwicklungsländer beim Wiederaufbau nach Klimakatastrophen finanziell unterstützen.
Klimaschutzmaßnahmen machten letztlich nur dann Sinn, wenn sie nicht zu Lasten der ohnehin schon benachteiligten Bevölkerungsgruppen gingen bzw. Menschenrechte bei Investitionen der öffentlichen Hand ebenso wie des Privatsektors nicht verletzt werden, so Krenn.
Kritik an Handel mit Emmissionszertifikaten
Kein gutes Haar ließ Krenn im Kathpress-Interview am internationalen Handel mit Emmissionszertifikaten, der in einer Zeit von möglichst raschen absoluten Emissionsreduktionen aller Länder der Welt fehl am Platz sei. Zum einen seien die Regeln dafür immer noch nicht ganz klar, zum anderen gäbe es aus der Zeit vor dem Pariser Abkommen auch höchst dubiose Zertifikate. Wenn man den Handel schon nicht ganz verhindern kann, so müsse in Glasgow zumindest das Regelwerk auf einen verbindlichen Stand gebracht werden, der sowohl Doppelzählungen verhindere wie auch nur neue und wissenschaftlich gesicherte Emissionsreduktionen akzeptiere, forderte der KOO-Experte.
Stimme der Kirchen hat Gewicht
Krenn zeigte sich zudem überzeugt, dass die Stimmen der Kirchen bzw. Religionen im Blick auf Glasgow nicht unterschätzt werden dürfen. Er verwies u.a. auf die gemeinsame Erklärung der Religionsführer fast aller Weltreligionen, den diese Anfang Oktober im Vatikan unterzeichnet hatten. So appellierten etwa Papst Franziskus, der Ökumenische Patriarch Bartholomaios oder der Großimam von Al-Azhar, Ahmad al-Tayyeb, an den Präsidenten der COP26, den Briten Alok Sharma, und an Italiens Außenminister Luigi Di Maio, dass die Welt so schnell wie möglich einen Netto-Kohlendioxid-Ausstoß von Null erreichen muss. Reiche Länder müssten sich dabei vermehrt engagieren - durch striktere Maßnahmen und finanzielle Hilfen für andere Staaten. Die Klimafrage sei zudem auch eine immanent wichtige Frage der Generationengerechtigkeit.
Erst am Freitag warnte der Papst zudem in einer auf BBC ausgestrahlten Ansprache vor einer "unbewohnbaren Welt". "Wir finden uns zunehmend geschwächt und ängstlich wieder, gefangen in einer Folge von 'Krisen' im Gesundheitsbereich, der Umwelt, bei der Ernährungssituation und in der Wirtschaft, ganz zu schweigen von sozialen, humanitären und ethischen Krisen", sagte Franziskus in dem britischen Sender. Er habe an diesem Wochenende sicher auch die persönlichen Gespräche mit den Staats- und Regierungschefs der 20 größten Industrienationen genützt, die sich zum G20-Treffen heuer in Rom einfanden, um für seine Klimaziele zu werben, so Krenn weiter.
Das G20-Treffen ist in diesem Jahr quasi die Vorbereitung auf die Klimakonferenz, die direkt im Anschluss im schottischen Glasgow beginnt. Lange war auch über eine persönliche Teilnahme des Papstes am Klimagipfel spekuliert worden. Nun wird die vatikanische Delegation von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin angeführt. Der Heilige Stuhl ist Partei im Klimaabkommen, nimmt daher auch an allen Verhandlungen teil, hat aber kein Stimmrecht. Parolin wird voraussichtlich am späten Dienstagnachmittag sein Start-Statement abgeben.