Vatikan, Wissenschaft und Kirchen: Fossile Energie rasch beenden
Bei der COP-Tagespressekonferenz am Mittwoch betonte der Vatikan-Vertreter, Prälat Bruno Marie Duffe, man sei "gewohnt, auf Klimakonferenzen von Entscheidungen für morgen zu sprechen, aber 'morgen' ist bereits heute, und wir müssen heute Entscheidungen für generationenübergreifende Solidarität treffen".
Bei der Tags zuvor erfolgten Präsentation des vom Vatikan mitunterzeichneten "Katowice Memorandum" sagte der emeritierte Direktor des Potsdamer Instituts für Klimaforschung und Klima-Sprecher der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften, Hans Joachim Schellnhuber, der Umstieg zu erneuerbaren Energien müsse höchste Priorität haben. "Ein Bündnis von Glauben und Vernunft mag auf den ersten Blick überraschend erscheinen, ist aber tatsächlich ganz logisch. Denn sowohl Wissenschaftler als auch religiöse Führer teilen ein grundlegendes Verantwortungsgefühl für die gesamte Menschheit: Wir dürfen nicht zulassen, dass der historische Segen des Verbrauchs fossiler Brennstoffe, der einen Großteil des heutigen Lebensstandards ermöglichte, jetzt zum Fluch wird und den Wohlstand zukünftiger Generationen zerstört."
Das "Katowice Memorandum" entstand bei einem Symposium, das von der Polnischen Akademie der Wissenschaften, der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften und dem Warschauer Nationalen Zentrum für wissenschaftliche Forschung (CNRS) organisiert wurde. Teilnehmer am Symposium waren neben Duffe und Schellnhuber u.a. Primas-Erzbischof Wojciech Polak, EKD-Ratsvorsitzender Bischof Heinrich Bedford-Strohm und der orthodoxe Erzbischof John Chryssavgis, der eine Botschaft von Patriarch Bartholomaios verlas.
In dem "Katowice Memorandum" wird betont, dass es zwingende wissenschaftliche Beweise dafür gebe, dass die Erde bereits ein Grad wärmer als in vorindustriellen Zeiten sei und Treibhausgasemissionen aus menschlichen Aktivitäten die dominierende treibende Kraft des Klimawandels seien. Viele der so verursachten Auswirkungen seien bereits für die Gesellschaft insgesamt negativ und zeigten soziale Auswirkungen. Was drohe, sei eine umfassende Klimakrise, denn das noch offene Zeitfenster für Veränderungen werde sich schnell schließen. "Schon heute erleben wir ein Artensterben und möglicherweise irreversible Transformationen von Ökosystemen. Milliarden von Menschen leiden unter extremen Wetterereignissen wie Hitzewellen, Dürren oder Überschwemmungen. Ohne eine schnelle und tiefgreifende Transformation werden Meeresspiegelanstieg, Wasserknappheit und andere Klimaauswirkungen immer mehr Menschen zwingen, ihre Häuser zu verlassen, weil sie sonst sterben würden."
Prälat Duffe sagte am Mittwoch, die Aufgabe der Kirche sei es, zu Solidarität zu ermutigen. Denn es handle sich bei der aktuellen Situation nicht nur um eine ökologische Krise, sondern auch um eine soziale. Die ökologische, die soziale, die ökonomische und die politische Krise würden ineinander greifen. Die katholische Kirche sei auf der Konferenz, um Hoffnung zu geben und zu erinnern, dass es gelte, in Gemeinschaft "auf unser gemeinsames Haus" zu achten. "Wenn wir zugleich auf den Schrei der Erde und auf den Schrei der Armen hören, dann sehen wir, dass wir als Kirche zu einer universellen Solidarität ermutigen müssen", so Duffe.
Klimacamp der jungen Katholiken
Unterdessen wurde Österreich in Funktion der EU-Ratspräsidentschaft in Katowice von einem NGO-Dachverband mit dem Negativpreis "Fossil of the day" ausgezeichnet. Die Negativ-"Würdigung" erfolgte wegen des Kompromissvorschlags, Kohle bis 2035 weiterhin zu subventionieren, wie die in Katowice vertretene KOO (Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz für Internationale Entwicklung und Mission) in einer Aussendung berichtete.
Weiter erinnert die Aussendung an das Klimacamp katholischer Gruppen. Bei dem Camp forderten junge Katholiken aus der ganzen Welt in Katowice dringend notwendige Schritte für Klimagerechtigkeit.
Mehr als 100 jugendliche Freiwillige aus Europa hatten an dem Camp teilgenommen; am Montag kehrten sie zurück in ihre Pfarren. Im Gepäck trugen sie die Bestärkung für ihr Engagement für Klimagerechtigkeit - "durch die Erfahrung, dass Menschen auf der ganzen Welt im Sinne der Enzyklika 'Laudato Si' für den Erhalt der Schöpfung aktiv sind", so die KOO. Auch Freiwillige von Pfarren in Vorarlberg, Kärnten und Wien waren vertreten.
"Uns ist klar, dass es einen radikalen Wandel braucht, um die durchschnittliche globale Erderwärmung auf unter 1,5°C zu begrenzen. Wir sehen diese notwendigen Veränderungen als Chance für ein Leben in Verbundenheit mit der Schöpfung und mit Gott und eine Rückbesinnung auf das Wesentliche", so Dominik Knoll, Teilnehmer in Katowice und Jugendleiter in der Wiener Pfarre Essling.
Hannah Angerbauer von der KOO betonte, dass die Politik endlich die Bereitschaft breiter Bevölkerungsgruppen zu Änderungen erkennen sollte. "Sie sind bereit für den Wandel, und die Politik sollte diese dabei unterstützen sowie entsprechende Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass die gesamte Gesellschaft diesen Wandel mitträgt", so Angerbauer.
Klimamarsch mit tausenden Menschen
Der Klimamarsch am Samstag mit mehreren tausend Menschen aus Polen und der ganzen Welt hatte die Forderungen der polnischen und internationalen katholischen Organisationen und der Zivilgesellschaft nach Klimagerechtigkeit und einem guten Leben für alle Menschen direkt vor das Verhandlungszentrum getragen. Ein weiterer Höhepunkt war am Sonntag eine gemeinsame Messe mit dem Erzbischof von Katowice, Wiktor Skworc, der anschließend auch einen Empfang für die Freiwilligen der CIDSE und weiteren Organisationen wie Caritas Polen, Franciscans International, und der Globalen katholischen Klimabewegung gab.
Dabei richtete auch der Ständige Beobachter des Vatikans bei der UNO, Erzbischof Bernadito Auza, einige Worte an die Freiwilligen und sagte: "Die Bibel lehrt uns, unseren Nächsten wie uns selbst zu lieben. Deshalb sollten wir auch die Natur wie uns selbst lieben, denn wir sind Teil von ihr."