Politischer Endspurt für die Klimakonferenz
Alle 195 Staaten, von denen die meisten bereits das Klimaabkommen unterzeichnet haben, müssen bis November 2018 einstimmig festlegen, wie die vor zwei Jahren in Paris beschlossenen Klimaziele konkret umgesetzt werden. In der vergangenen Woche haben die Verhandler/innen der Staaten in verschiedenen Themenbereichen versucht, alle Anliegen auf den Tisch zu legen und gemeinsame Texte – ein sogenanntes „Pariser Regelbuch“ – zu erarbeiten. Was auf Ebene der Verhandler/innen nicht geklärt werden konnte, geht ab heute an die nun eintreffenden Minister/innen der Staaten weiter, welche nun auf Basis der technischen Vorarbeit politische Entscheidungen zu treffen haben.
Die zentralen Themen dieser Klimakonferenz waren bisher:
Erste Überprüfung – der Talanoa Dialog
Gemeinsam mit dem Klimaabkommen wurde vor zwei Jahren in Paris beschlossen, dass 2018 ein Austausch der Staaten über den Fortschritt bei der Umsetzung der Klima-Maßnahmen erfolgen soll. Dies wurde als der erste Schritt zur notwendigen Erhöhung der nationalen Klima-Maßnahmen gesehen. Auf der heurigen Konferenz gilt es nun, die Vorgangsweise und die Rahmenbedingungen für einen erfolgreichen Dialog im Jahr 2018 – unter der Präsidentschaft von Polen – festzulegen.
Die diesjährige Präsidentschaft der Klimakonferenz, der Inselstaat Fidschi, hat für diesen Dialog ein traditionelles Format der pazifischen Inselstaaten vorgeschlagen. Mit dem Begriff „Talanoa Dialog“ wurde ein inklusiver, partizipativer und transparenter Dialog vorgestellt, welcher zum Vertrauensaufbau und gemeinsamen Verständnis beitragen soll und dadurch bessere Entscheidungen für das Gemeinwohl ermöglichen soll.
Trotz großem Zuspruch aller Staaten zum Vorschlag von Fidschi blieb bisher offen, ob und wie diese erste Überprüfung zur notwendigen Anhebung der nationalen Klimaziele führen kann. Österreich steht hier vor der besonderen Herausforderung die EU Ratspräsidentschaft während der nächstjährigen Klimakonferenz inne zu haben und daher den sehr schwierigen Klimaakteur Polen im Geist von Talanoa zu unterstützen.
Verluste und Schäden
Unter dem hier in Bonn fast schon gefürchteten Schlagwort „Loss and Damage“ wurde in den letzten Tagen vor allem von Entwicklungsländern versucht, eine Basis für weitere Verhandlungen zur kritischen Frage des Umganges mit bereits entstandenen Schäden und unwiederbringlichen Verlusten durch den Klimawandel zu schaffen. Da wir in den letzten Jahrzehnten viel zu langsam mit der Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen waren, muss heute immer mehr Geld in Anpassungsmaßnahmen an die stetig steigenden Auswirkungen des Klimawandels investiert werden um Menschenleben zu schützen. Aber oftmals reichen die Schutzmaßnahmen nicht mehr aus, sondern es kommt immer häufiger zu unglaublicher Zerstörung von Lebensraum und Lebensgrundlagen von besonders gefährdeten Menschen. Der Meeresspiegelanstieg als Existenzbedrohung der pazifischen Inselstaaten und Hurrikane, welche ganze Staaten zerstören können (z.B. den Inselstaat Dominica im September dieses Jahres), sind nur die offensichtlichsten Beispiele.
Von dieser Klimakonferenz, welche zum ersten Mal von einem Small Island Development State geleitet wird, kann zurecht erwartet werden, dass genau bei diesem drängenden Thema eine klare Richtung eingeschlagen wird. Bisher sieht es hier leider schlecht aus – die VerhandlerInnen sind zu keinem Ergebnis gekommen, da die Industriestaaten jegliche Initiativen blockieren, welche über einen freiwilligen Beitrag der reichen Staaten hinaus gehen. Und Versicherungen, von denen niemand weiß wer die Prämien bezahlen kann, sind kein sonderlich hilfreicher Vorschlag. Hier hofft die Zivilgesellschaft nun auf einen Erfolg für die Fidschi-Präsidentschaft und eine klares Mandat durch die Minister/innen, um in den kommenden Jahre die offenen (finanziellen) Fragen zu Loss and Damage gemeinsam und fair beantworten zu können.
Transparenz der nationalen Beiträge
Hinter dem unscheinbaren Begriff Transparenz verbirgt sich der gerechtfertigte Anspruch, dass alle Länder mit denselben Richtlinien über ihre Klimaschutz-, Anpassungs- und Finanzierungs-Aktivitäten berichten. Die bisherige Verhandlungsrunde hat hier durchaus Fortschritte gebracht, jedoch liegen noch viel zu viele Vorschläge auf dem Tisch, um tatsächlich zu einem kohärenten Regelwerk zu kommen.
Warum die Erarbeitung der Richtlinien schwierig ist und warum hier besonders auf die Details geachtet werden muss, zeigt das Beispiel der internationalen Klimafinanzierung, welche reiche Staaten zur Unterstützung der Entwicklungsländer zugesagt haben (ab 2020 100 Mrd. USD jährlich). Wenn Österreich – wie im aktuellen Klimafinanzierungsbericht 2016 – ausweist, 200 Mio. € an Klimafinanzierung an Entwicklungsfinanzierung zur Verfügung gestellt zu haben, davon aber tatsächlich 80 Mio. € zurückzuzahlende Kredite, 40 Mio. € offizielle Entwicklunghilfe-Gelder und 75 Mio. € Zuschüsse an diverse internationale Banken für diverse von Österreich nicht mehr beeinflussbare Projekte sind, dann kann man sich vorstellen, warum diese Anrechnungsregeln so stark umkämpft sind. Es geht schlussendlich um die finanziellen Verpflichtungen der Hauptverursacher des Klimawandels gegenüber den Haupt-Leidtragenden.
Die Rolle der Landwirtschaft
Seit mehreren Jahren war die Weiterarbeit zur Rolle der Landwirtschaft beim Klimawandel blockiert worden. Am Montag gelang nun endlich der Durchbruch und die Vertragsstaaten konnten sich auf die gemeinsame Weiterarbeit und die Aufwertung des Themas Landwirtschaft einigen. Die zivilgesellschaftlichen Organisationen begrüßen vor allem, dass nicht nur Staaten sondern auch weitere Expert/innen eingeladen sind, die gemeinsame Arbeit der beiden technischen Arbeitsgruppen der Klimarahmenkonvention beim Thema Landwirtschaft zu unterstützen. Dadurch können die zentralen Anliegen Ernährungssicherheit und Menschenrechte bei der Planung der Anpassung der globalen Landwirtschaft an die Klima-Herausforderungen dieses Jahrhunderts eingebracht werden.
Finanzierung des Klimaschutzes
Wie bereits beim Thema Transparenz angeklungen, sind die finanziellen Verpflichtungen das heiße Eisen und der ständig mitschwingende Faktor bei allen Verhandlungsthemen. De facto wurden einige Bereiche der technischen Verhandlungen in den letzten Tagen aufgrund der anderswo schwierigen Verhandlungen über Finanzen blockiert. Es sind seit der Klimakonferenz 2009 in Kopenhagen jährlich 100 Mrd. USD ab 2020 für Entwicklungsländer zugesagt – und darüber hinaus wollen die Geldgeber bisher nicht einmal denken.
Wissenschaftliche Berichte sprechen jedoch von ganz anderen Zahlen: Laut UN Emission Gap Report 2016 sind ab 2030 140-300 Mrd. USD allein für die Anpassung an Klimawandelfolgen vonnöten. Die International Energy Agency geht von einem Investitionsvolumen von durchschnittlich 900 Mrd. USD jährlich bis 2030 aus, um unser Energiesystem den aktuellen Klima-Erfordernissen anzupassen.
Ohne ein Entgegenkommen der Industriestaaten beim Thema Finanzierung steht die Umsetzung des gesamten Pariser Klimaabkommens auf dem Spiel – und damit eine gute Zukunft der gesamten Menschheit. Wenn ab Mittwochnachmittag die Präsident/innen, Kanzler/innen und Minister/innen aller Staaten ihre Ansprachen an die Klimakonferenz richten, haben sie hoffentlich neue finanzielle Zusagen im Gepäck, damit das Vertrauen aller Länder in eine ernstgemeine und erreichbare klimasichere Zukunft sichergestellt werden kann.
Am Ende dieser Woche wird der Erfolg dieser Klimakonferenz daran beurteilt werden, ob möglichst konkrete Texte für die Weiterarbeit im kommenden Jahr vorliegen, damit das „Pariser Regelbuch“ bei der Klimakonferenz in Katowice (Polen) 2018 beschlossen werden kann. Da der Österreichischen Regierung mit der EU Ratspräsidentschaft im nächsten Jahr eine ganz besondere Rolle bei der Klimakonferenz zukommt, muss Österreich nun auch schon in Bonn Führungsstärke zeigen und in den nun startenden Verhandlungen der Minister/innen die EU als konstruktive Brückenbauerin und als verlässliche Klima-Partnerin für Entwicklungsländer positionieren.