Massai-Vertreter in Wien: Europa darf bei Vertreibung nicht wegsehen
Vertreter der Volksgruppe der Massai aus Tansania machen dieser Tage in Österreich und in weiteren europäischen Ländern auf Vertreibung und die Verletzung von Menschenrechten durch die Regierung in ihrer Heimat aufmerksam. Auf Einladung der Koordinierungsstelle der österreichischen Bischofskonferenz für internationale Entwicklung und Mission (KOO) und des Welthauses der Diözese Graz-Seckau berichteten Edward Thomas Porokwa von der tansanischen Menschenrechtsorganisation "Pingos Forum" sowie der Massai-Älteste Kiaro Kubani Orminis am Donnerstag in Wien über gravierende Repressionen, denen die Massai-Volksgruppe aktuell durch die Regierung ausgesetzt sei.
Im Namen des Umweltschutzes und der Errichtung von Naturreservaten auf Massai-Land werde die Volksgruppe aus ihrer Heimat vertrieben und ihrer Lebensgrundlage, der Viehzucht, beraubt, erklärte der Indigenenrechtler Porokwa. Seit knapp einem Jahr werde die Volksgruppe massiv drangsaliert und unter Vorwänden von ihren angestammten Weidegebieten vertrieben. Hunderte Massai seien durch Regierungstruppen verletzt, sowie viele verschleppt oder gefangen genommen worden, so der "Pingos-Forum" -Vertreter vor den anwesenden Journalisten.
Europa würde bei diesen Menschenrechtsverletzungen nicht nur tatenlos zusehen, sondern diese durch Spenden und Entwicklungszusammenarbeit mit der tansanischen Regierung sogar fördern, kritisierte Porokwa. Dabei sei das Argument der Schaffung von Naturreservaten, das auf den ersten Blick nachvollziehbar klinge, nur ein scheinbares, mahnte der Experte: Die tansanische Regierung nutze die Flächen als Geschäftsmodell. So würden etwa Tierreservate auf ehemaligem Massai-Land errichtet, in denen wohlhabende Partner aus dem Westen oder dem Nahen Osten Großwildjagd betrieben.
Westen muss Druck ausüben
Als Ziel ihrer Reise bezeichneten die Massai-Vertreter, die Gesellschaft und die politischen Entscheidungsträger in Europa über diese Praktiken aufzuklären und zu sensibilisieren. Regierungen im Westen - auch in Österreich - müssten Druck auf die tansanischen Machthaber ausüben, denen es egal sei, was mit der Massai-Minderheit in ihrem Land geschehe. Viele Massai seien bereits in das benachbarte Kenia geflohen.
Die Massai-Vertreter waren zuvor bereits am Mittwoch in Linz mit Diözesanbischof Manfred Scheuer zusammengetroffen, in Begleitung auch von Erzbischof Isaak Amani Massawe von Arusha (Tansania). Für Donnerstagabend war zudem ein Vortrag im Afro-Asiatischen Institut in Graz geplant. Eine weitere Repräsentantengruppe des Volkes befindet sich zeitgleich in Brüssel, um mit Entscheidungsträgern der Europäischen Union zu der Thematik ins Gespräch zu kommen.
Der Massai-Älteste Kiaro Kubani Orminis berichtete als Betroffener von den Repressionen gegen sein Volk. So habe die Regierung zum Teil Land enteignet, das seit einem halben Jahrhundert von Massai genutzt worden sei. Damit sei den Menschen die Lebensgrundlage geraubt worden, erklärte Orminis. Viele wüssten nicht, wie sie ihre Familie ernähren oder das Schulgeld für ihre Kinder bezahlen sollen.
Nach und nach würden die Massai aus immer mehr Landstrichen vertrieben, mit teils brutalen Methoden, so der Stammesälteste weiter. Seine Landsleute fühlten sich nicht mehr sicher und hätten Angst vor Gewalt. Die Regierung habe dazu zwar kein Recht, aber keiner hindere sie und fast niemand wisse um die Problematik. Deswegen forderte der Massai-Älteste Österreichs Regierung dazu auf, Druck auf die tansanische Regierung auszuüben, bevor diese die Massai vollständig vertreiben.
Die Massai sind eine ostafrikanische Volksgruppe, die in den Ebenen im Süden Kenias und im Norden Tansanias beheimatet ist. In Ostafrika leben vermutlich etwa eine halbe bis zu einer Million Massai. Ihre tatsächliche Zahl ist ungewiss. Bei Volkszählungen in Kenia geben viele Massai ihre ethnische Herkunft nicht an, da sie Benachteiligungen fürchten; in Tansania wird die ethnische Herkunft bei Volkszählungen nicht berücksichtigt.
In Tansania leben die Massai seit Generationen, bewahren dabei laut eigenen Angaben Land und Wildtiere und schützen die Artenvielfalt. Um Platz für Naturschutzprojekte, Tourismus und Trophäenjagd zu schaffen, werden sie jedoch mehr und mehr an den Rand gedrängt und gewaltsam von ihrem angestammten Land vertrieben. Europäische Regierungen und Institutionen sind direkt und indirekt an Tourismus- und Naturschutzprojekten in Tansania beteiligt, so der Vorwurf der Massai.