Gold und Konfliktmineralien: Kirche warnt EU vor Goldimport-Lockerung
utl: "Riesige Schlupflöcher" im bestehenden Gesetz durch Schwellenwerte befürchtet - Koordinierungsstelle und Dreikönigsaktion fordern wirksame Verordnung
Wien, 11.11.2016 (KAP) Kirchenexperten warnen vor einer "dramatischen Aushöhlung" der EU-Gesetze zu Konfliktmineralien: Ist künftig etwa der Import von 100 Kilogramm Gold ohne Kontrolle erlaubt - worauf aktuelle Verhandlungen zu den Schwellenwerten hinausliefen -, so würden damit "riesengroße Schlupflöcher" entstehen, die bisherige Bemühungen für Frieden und zum Schutz der Bewohner von Konfliktregionen aushebeln. Die Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz für internationale Entwicklung und Mission (KOO) appellierte am Freitag gemeinsam mit der Dreikönigsaktion (DKA) der Katholischen Jungschar an Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner, auf eine wirksame Verordnung zu drängen.
Die EU befindet sich derzeit in der letzten Verhandlungsrunde über den Umgang mit sogenannten "Konfliktmineralien" wie Gold, Tantal, Wolfram und Zinn. Mit deren Abbau und Handel finanzieren sich etliche bewaffnete Gruppen wie etwa in der Demokratischen Republik Kongo oder in Kolumbien, zu deren Praxis auch die Folter, Vergewaltigung und Rekrutierung von Kindersoldaten zählt. Bisher importiert die EU 16 Prozent der weltweit gehandelten Konfliktmineralien direkt, sowie weitere Anteile in bereits verarbeiteter Form als Bestandteile von elektronischen Produkten.
Im Juni hatten sich der Europäische Rat, die EU-Kommission und das EU-Parlament darauf geeinigt, dass Schmelzen, Raffinerien sowie Metall importierende Unternehmen darauf achten müssen, mit ihren Rohstoffen keine Konflikte zu finanzieren. Die Regelung wurde vielfach kritisiert, war damit doch schon ein Großteil der Unternehmen, die Konfliktmetalle in verarbeiteter Form importieren, von Sorgfalts- und Berichtspflichten befreit worden. Werden nun noch die in den aktuellen Verhandlungen geforderten Schwellenwerte für die Kontrolle festgesetzt, büßt Europas Konfliktmineralien-Verordnung ihre ohnehin schon beschränkte Wirkung weiter dramatisch ein: Viele Importeure müssten dann ihre Lieferketten nicht mehr auf Konfliktfinanzierung überprüfen.
Für 99 kg Gold 7.000 Gewehre
Würden künftig tatsächlich Importmengen von bis zu 100 Kilogramm Gold nicht mehr unter die Gesetzesbestimmungen fallen, wie dies etwa die slowakische EU-Präsidentschaft fordert, hätte dies laut den Kirchenfachleuten schlimme Folgen: "Konfliktparteien finanzieren durch den Verkauf von 99 Kilogramm Gold in der Demokratischen Republik Kongo 7.000 Schnellfeuergewehre", veranschaulichte Herbert Wasserbauer von der Dreikönigsaktion. Die angepeilten Schwellenwerte seien "sehr viel höher als Bagatellgrenzen, als die sie dargestellt werden". Nicht genug, dass dann die meisten importierenden Unternehmen ihrer Sorgfaltspflicht entbunden seien: Der Vorschlag lade auch zur Umgehung des Gesetzes ein, da dann große Konzerne einfach ihre Tochterfirmen viele kleine Mengen an Rohstoffen zusammenkaufen lassen, so Wasserbauer weiter.
"Die EU ist angetreten, mit dem derzeit verhandelten EU-Gesetz die Finanzierung von bewaffneten Konflikten durch Rohstoffeinkäufe aus Europa zu unterbinden und Aggressoren damit den Geldhahn abzudrehen", erinnerte KOO-Geschäftsführer Heinz Hödl. Dieses Ziel werde auch von der österreichischen Bundesregierung geteilt. Das Grundanliegen habe kirchliche Rückendeckung, nachdem zuletzt 150 Bischöfe aus aller Welt - fünf davon aus Österreich - die EU zu wirksamen Maßnahmen aufgerufen hatten.
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