Kirchenexperte Hödl: Gemischte Gefühle nach Grünlicht für CETA
Zagreb-Wien, 31.10.2016 (KAP) Mit gemischten Gefühlen hat Kirchenexperte Heinz Hödl auf das nach zähem Ringen doch noch unterzeichnete Freihandelsabkommen CETA zwischen EU und Kanada reagiert. Wie der Geschäftsführer der Koordinierungsstelle (KOO) der Österreichischen Bischofskonferenz für internationale Entwicklung und Mission in einem Interview für die kroatische Wochenzeitung "Glas Koncila" erklärte, sei der ausverhandelte Kompromiss trotz mancher Schwächen akzeptabel, das Abkommen TTIP zwischen EU und den USA jedoch gelte es zu stoppen und neu zu verhandeln.
Die aufmerksame Beobachtung des Tauziehens um CETA sei für den katholischen Fachmann für Entwicklungszusammenarbeit (EZA) "eine ziemliche Herausforderung", gleichwohl aber "lohnende Aufgabe" gewesen; Freihandelsverhandlungen und -verträge seien jedenfalls auch für entwicklungspolitische Belange von entscheidender Bedeutung.
Obwohl Hödl noch Mitte September für Korrekturen bei CETA eingetreten war, habe er "prinzipiell jedoch auch Verständnis für die Notwendigkeit von Handelsverträgen bekundet". Für das jetzt vorliegende Abkommen spreche, dass die Zusatzerklärung - die erklärt, wie der Vertragstext zu verstehen ist - zum Handelspakt Rechtsgültigkeit erhalte, dass ein neuartiges Investitionsgerichtssystem etabliert und die öffentliche Trinkwasserversorgung ausgeklammert worden sei. Gewinner des Abkommens könnte aus Hödls Sicht die nahrungsmittelverarbeitende Industrie in Europa sein, die Kleinbauern in der EU und teilweise auch in Kanada gehörten jedoch "zu den potenziellen Verlierern" des Abkommens.
Der nun erzielte Kompromiss sei dennoch akzeptabel, so der KOO-Geschäftsführer. Er sieht auch noch weitere Möglichkeiten der Abfederung etwaiger Nachteile: Die Parlamente in den EU-Mitgliedsstaaten müssten das Abkommen noch absegnen; "wenn sich in der Praxis einzelne Punkte als zu problematisch erweisen, kann man diese verbessern. Wenn nicht, dann wird das Abkommen in manchen Punkten nicht in Kraft treten", meinte Hödl. Er erinnerte daran, dass CETA ein sogenanntes gemischtes Abkommen ist, Vertragsparteien seien nicht nur Kanada und die EU, sondern auch deren Mitgliedsstaaten.
Kritik äußerte Hödl am Prozedere samt "schlechter Kommunikation und mangelndem Dialog: "Es gibt in der EU offenbar keinen richtigen Zeitpunkt, seine Kritik an den zwei Freihandelsabkommen CETA und TTIP zu äußern - zumindest nicht für die Bürgerinnen und Bürger." Die EU-Mitgliedsländer erteilten der EU-Kommission ein Mandat für die Verhandlungen, diese seien nicht öffentlich erfolgt und "auch nicht sehr konkret" verlaufen.
Für TTIP richtige Schlüsse ziehen
Für die Verhandlungen zu TTIP müsse aus dem Ringen um CETA gelernt werden, forderte Hödl. "TTIP sollte man jetzt sofort stoppen und Neuverhandlungen unter Einbeziehung breiter Bevölkerungskreise starten." Es dürfe dabei keinen Zeitdruck, keine Geheimhaltung und keine Beeinflussung z.B. durch Wahlen geben, betonte der Experte. Europa und die USA sollten strengere Regeln zum Schutz von Klima, Umwelt, Sozialstandards als Chance begreifen.
Sorgen bereitet Hödl der aufkommende Nationalismus in Europa, der eine "negative Grundstimmung" gegenüber der EU aufbaue. Aus Angst vor anti-europäischen und xenophoben politischen Parteien würden auch die Mitte-rechts- und Mitte-links-Parteien immer mehr zu EU-Skeptikern. Es brauche eine Kehrtwende zur Offenheit, Sachlichkeit und Realität auf allen Ebenen. Auch die katholische Kirche könne dazu auf der Basis der Papstenzyklika "Laudato si" wertvolle Impulse geben, ist sich Hödl sicher.
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