Konfliktmineralien: Verhindern von menschlichem Leid muss an erster Stelle stehen
Brüssel/Wien: Am Dienstag setzen die EU-Institutionen ihre sogenannten Trialog-Verhandlungen fort, die widersprüchliche Positionen hinsichtlich einer europäischen „Konfliktmineralien“-Gesetzgebung überwinden sollen. Die Verordnung soll es bewaffneten Gruppen in den Konfliktregionen dieser Erde möglichst schwer machen, sich weiterhin aus dem Geschäft mit Rohstoffen zu finanzieren. Europäische Endverbraucher/innen sollen per EU-Verordnung davor geschützt werden, etwa durch den Kauf von Smartphones oder Tablet-PCs unbewusst und ungewollt zu Geldgeber/innen von Warlords und Milizen zu werden, die furchtbare Gräueltaten an der Zivilbevölkerung verüben.
In den Brüsseler Verhandlungen droht der sehr ambitionierte und weitreichende Gesetzesvorschlag des EU-Parlaments vom Mai letzten Jahres vor allem auf Druck zahlreicher EU-Mitgliedsstaaten in wichtigen Punkten demontiert zu werden. Die österreichische Verhandlungsposition wurde zuletzt in der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage durch das Wirtschaftsministerium offengelegt. Österreich tritt demnach klar und vehement für ein rein freiwilliges Zertifizierungssystem ein. Selbst freiwillige Maßnahmen sollen nur Betrieben ans Herz gelegt werden, die tatsächlich Rohstoffe importieren und verarbeiten – all jene, die mit weiterverarbeiteten Produkten oder rohstoffhaltigen Komponenten handeln und arbeiten bleiben völlig unberücksichtigt.
Heinz Hödl von der Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz für Entwicklung und Mission (KOO) und derzeitiger Präsident des internationalen Dachverbands Katholischer Entwicklungsorganisationen CIDSE zeigt sich bestürzt: „Die österreichische Position zielt darauf ab jegliches Ungemach von der heimischen Wirtschaft abwenden. Das Gesetz soll keine negativen Auswirkungen auf die eigene Rohstoffversorgung und Wettbewerbsfähigkeit haben. Ob die EU-Verordnung dann tatsächlich noch positive Wirkung zum Eindämmen von gewalttätigen Konflikten entfalten kann, scheint sekundär zu sein. Österreich stellt damit in unappetitlicher Weise Eigennutz an erster Stelle, auch wenn es bedeutet, das Leid von Menschen in Kauf zu nehmen.“, so Hödl. Es werde auch vergessen, dass die ambitionierte Umsetzung von menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten langfristig auch im Interesse der Unternehmen ist, da diese so Risiken in ihrer Lieferkette besser identifizieren und angemessen darauf reagieren könnten, fügt Hödl hinzu.
„Wenn es im Kern auf eine Empfehlung an Unternehmen, sich des Problems von ‚Konfliktrohstoffen‘ auf rein freiwilliger Basis anzunehmen, hinausläuft dann ist die EU-Verordnung von vornherein überflüssig“, stellt Herbert Wasserbauer von der Dreikönigsaktion der Katholischen Jungschar fest. „Die entsprechenden Leitlinien der OECD konnten Firmen guten Willens schon seit 2013 freiwillig umsetzen. Aber was ist mit den ‚schwarzen Schafen‘ der Branche?“, gibt Wasserbauer zu bedenken. Auch das Argument, dass eine freiwillige Regelung eher gewährleisten könne, dass Konfliktgegenden beim Rohstoffeinkauf generell gemieden werden und es zu einem De-Facto-Embargo ganzer Regionen kommen könnte, lässt Wasserbauer nicht gelten: „Diese Argumentation stützt sich auf die durchwachsenen Erfahrungen mit dem entsprechenden US-amerikanischen Gesetz, dem sogenannten Dodd-Frank Act, Section 1502. Dieses ist geografisch auf die Demokratische Republik Kongo und seine Nachbarländer eingegrenzt. Das geplante EU-Gesetz sieht Sorgfaltspflichten für Konflikt- und Hochrisikogebiete vor, egal wo auf der Erde. Damit wird die simple Formel Konflikt-frei ist Kongo-frei obsolet“, erklärt Wasserbauer.
„Wir appellieren dringend an die österreichische Bundesregierung, die bisherige Position noch einmal zu überdenken und sich für ein umfassendes und wirkungsvolles EU-Gesetz stark zu machen.
Gleichzeitig laden wir alle Bürger/innen ein, sich diesem Appell per Email-Aktion anzuschließen“, so Hödl und Wasserbauer abschließend.
Rückfragen:
Christian Herret, +43 676 880 11 1071, christian.herret@dka.at
Martin Krenn, +43 676 769 84 31, m.krenn@koo.at
Hintergrundinformationen:
Parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Petra Bayr und deren Beantwortung durch das BMWFW
E-Mail-Aktion der katholischen Entwicklungsorganisationen
Briefing Paper: „Konfliktmineralien: Möglichkeiten und Grenzen aktueller Regulierungsinitiativen“ (ÖFSE und der Dreikönigsaktion) sowie weitere Hintergrundinformationen