Tansania: Kohlenstoffzertifikate bedrohen Lebensgrundlagen der Maasai
Das internationale Geschäft mit Kohlenstoffzertifikaten bedroht die Lebensgrundlagen der Maasai-Hirten im Norden Tansanias: Das zeigt eine neue Studie der "Maasai International Solidarity Alliance" (MISA), der auch Welthaus Graz und die KOO angehören. Laut der Studie kommt es im Zuge von Kohlenstoffprojekten zu intransparenten Vertragsabschlüssen, fehlender Zustimmung der lokalen Bevölkerung und einem Verlust der Kontrolle über Weideflächen. Dies gefährdet insbesondere die Weiderouten der Massai und damit deren Lebensgrundlage. Vor allem der Volkswagen-Konzern steht in der Kritik, da sich dieser ein Vorkaufsrecht für die Kohlenstoffzertifikate gesichert hat.
"Traditionell richten sich die Weiderouten der Maasai nach Wasserverfügbarkeit, variierenden Trockenzeiten, Leckstellen für Mineralien oder dem Zug der Wildtiere. Nun muss sich alles der Idee der Kohlenstoffspeicherung unterordnen", kritisierte Sigrun Zwanzger vom Grazer Welthaus in einer Aussendung am Dienstag. Die Beteiligung von Gemeindemitgliedern sei zudem begrenzt, oft fehle es an grundlegendem Wissen über Kohlenstoffmärkte, Vertragsbedingungen und deren Auswirkungen.
Die Studie, die auf Besuchen in elf Dörfern basiert, dokumentiert, dass viele Maasai nicht ausreichend über die Vertragsbedingungen informiert sind. "Die Studie zeigt auch, dass von einer freien und informierten Zustimmung der lokalen Gemeinschaften oft keine Rede sein kann", so Zwanzger. Die betroffenen Gemeinden würden durch Fehlinformationen und Druck zu Vertragsabschlüssen bewegt. Dabei bleibe unklar, wie sich die Maßnahmen langfristig auf ihre Lebensweise auswirken.
Hintergrund sind zwei aktuell konkurrierende Projekte, die langfristige Verträge mit Maasai-Dörfern über die Nutzung von Weideland abschließen wollen. Die betroffene Fläche umfasst knapp eine Million Hektar - eine Fläche in der Größe Kärntens - und liegt in zwei Distrikten im Norden Tansanias. Durch geänderte Landnutzung soll zusätzlicher Kohlenstoff im Boden gespeichert und als Kompensation für CO2-Emissionen verkauft werden.
Appel: Fragwürdige Geschäftspraxis
Auch auf internationaler Ebene wird der Handel mit Kohlenstoffzertifikaten zunehmend hinterfragt. Kritiker sprechen von einem "modernen Ablasshandel" und bezweifeln den tatsächlichen Klima-Nutzen vieler Projekte. Anja Appel, KOO-Geschäftsführerin, forderte daher strengere rechtliche Garantien und mehr Transparenz: "Der internationale Wettbewerb um das Einlösen der Klimaversprechen von Großunternehmen treibt sehr fragwürdige Blüten." Als kirchliche Organisationen setze man sich für Klimagerechtigkeit ein, "also dass auf ökologische Herausforderungen mit gerechten und sozial ausgewogenen Antworten reagiert wird. Für uns ist daher zwingend notwendig, dass Klimapolitik auf Basis der Menschenrechte gemacht wird", erklärte Appel das KOO-Engagement.
Bisherige Gespräche zwischen Volkswagen und Anwälten der Maasai blieben laut der Studie ergebnislos. Die betroffenen Organisationen fordern daher einen sofortigen Stopp der Projekte sowie ein Moratorium. Ohne klare Regelungen drohe eine Verschärfung bestehender Landkonflikte und eine weitere soziale Benachteiligung indigener Gemeinschaften. "Die Bevölkerung muss angemessen über diese Projekte, die so tief in ihre Lebensbedingungen eingreifen, informiert werden!", forderte Zwanzger, "das ist derzeit absolut nicht der Fall."
Online-Pressegespräch (Zoom) mit Vertreter:innen der betroffenen Maasai und Mitgliedern der MISA am Donnerstag, 13. März 2025, 15 Uhr
Anmeldung: maasaiinternationalsolidaritya@gmail.com (der Zoom-Link wird zugesandt)
Zur Zusammenfassung der Studie auf Deutsch kommen Sie hier.
Zur gesamten Studie auf Englisch kommen Sie hier.
Rückfragehinweis:
Mag. Sigrun Zwanzger
Stv. GF, Welthaus Diözese Graz-Seckau
Tel. +43 676 87423012
sigrun.zwanzger@welthaus.at