Massai Vision für Naturschutz
Immer wieder wurde MISA bei Lobbygesprächen, in denen die Probleme der Massai durch den aktuell praktizierten (kolonialen, festungsartigen, gewalttätigen und kapitalistischen) Naturschutz dargestellt wurden, gefragt, was die Alternativen dazu wären. Diese Frage führte zur „Massai Vision für Naturschutz“, einem Dokument, das durch einen partizipativen Konsultationsprozess, die Stimmen von Massai-Ältesten, -Frauen und Jugendlichen aus 26 Dörfern in fünf Bezirken im Norden Tansanias vereint und von ihre Vision für Naturschutz darstellt.
Das aktuelle Naturschutzmodell führt dazu, dass es zur Entfremdung der Massai von ihrem Land und Territorium kommt. Daher wehren sich die Massai schon seit Jahren gegen Pläne, ihr Land in Natur- und Wildschutzgebiete umzuwandeln. Die „Massai Vision für Naturschutz“ zeigt, wie Naturschutz und Tourismus mit den Massai, statt gegen sie funktionieren kann. Dabei wird ein alternatives Vorgehen gefordert, das auf dem Recht auf gemeinschaftliches Land, dem Schutz traditioneller pastoraler Praktiken sowie der Übertragung von Wildtier-Management und Tourismus in die Hände der Massai-Gemeinschaft beruht.
Die Kernaussagen der „Massai Vision für Naturschutz“:
- Land als Leben: Die Massai betonten, dass Land für ihre Identität, Kultur und Lebensgrundlage von zentraler Bedeutung ist. Sie fordern ein Ende aller Zwangsumsiedlungen und die Rückgabe von Land, welches in Schutzgebiete umgewandelt wurde.
- Weidewirtschaft: Die Vision fordert den Schutz der Lebensgrundlage der Pastoralisten, die das Ökosystem der Massai seit Generationen erhalten. Dies umfasst die Aufhebung aller Beschränkungen des Zugangs zu Weideland, Wasserquellen, Heilpflanzen und heiligen Stätten sowie Investitionen in die Wirtschaft der Pastoralisten.
- Koexistenz mit Wildtieren: Die Massai leben seit jeher in friedlicher Koexistenz mit Wildtieren und lehnen das derzeitige Naturschutzmodell ab, durch das Mensch und Natur voneinander getrennt werden. Sie fordern die Abschaffung der Trophäen-Jagd und das Ende von militarisierten Naturschutzpraktiken.
- Kulturelle Integrität und Kontinuität: Die Massai sind entschlossen, ihr kulturelles Erbe zu bewahren. Dazu zählen unter anderem das System traditioneller Autoritäten („Elder“), Übergangsriten und ihre Sprache Maa. Die Gemeinschaft lehnt jede Form von Diskriminierung, Hassreden und Aneignung ihrer Kultur ab.
- Fairer Tourismus: Die Massai sind nicht grundsätzlich gegen Tourismus, lehnen aber die derzeitige Form ab. Der Tourismus sollte sich nicht negativ auf die traditionelle Landnutzung auswirken, einschließlich der Weidewirtschaft, Kultur und spirituellen Praktiken.
- Emissionsgutschriften: Die Massai-Gemeinschaft ist besorgt über die rasante Entwicklung des Geschäfts mit Kohlenstoffgutschriften und befürchtet, dass dies zu einer neuen Welle des Landraubs führen kann. Der Handel mit Kohlenstoffgutschriften sollte weder die seminomadische Weidewirtschaft beinträchtigen noch zu Einschränkungen der Landnutzung und der natürlichen Ressourcen führen.
Die „Massai Vision für Naturschutz“ soll den Dialog, den Aufbau von Allianzen mit anderen Hirten- und agropastoralistisch lebenden Gemeinschaften und die internationale Lobbyarbeit unterstützen. Sie ist ein mutiges Bekenntnis zu Selbstbestimmung und Widerstandsfähigkeit. Während die Massai ihren Kampf um ihr Land und ihr kulturelles Überleben fortsetzen, wird diese Vision dazu beitragen, eine Zukunft zu gestalten, die die Vergangenheit ehrt und die Rechte der kommenden Generationen sichert.
Hier finden Sie das gesamte Dokument und hier die Zusammenfassung.