Die Ambivalenz von Gold – Faszination und Fluch
[KAP, 31.10.2022] Zu einer ungewöhnlichen Erkundung der Wiener Jesuitenkirche lud das Team der "weltkirche.tagung" am vergangenen Freitag. Die Kunsthistorikerin Sr. Ruth Pucher und Sr. Anneliese Herzig, die bei der Dreikönigsaktion der Katholischen Jungschar engagiert ist, führten durch die Kirche, wobei der inhaltliche Schwerpunkt neben Kunst und Kultur auf dem vielerorts problematischen Abbau von Gold lag. Die Veranstaltung stand unter dem Motto "Gold: Faszination und Fluch". Bei der Kirchenführung ging es zum Beispiel nicht nur um die Frage, wie Blattgold richtig verarbeitet wird, sondern auch darum, welche ethischen Fragen sich bei der Goldgewinnung stellen und wie die katholische Kirche damit umgehen sollte.
Sr. Herzig setzt sich im Rahmen ihrer Arbeit bei der Dreikönigsaktion seit vielen Jahren für die Bewusstseinsbildung über Gold und seine Schattenseiten ein. "Die katholische Kirche hat von der Kolonialisierung profitiert, deshalb ist es heute umso wichtiger Verantwortung zu übernehmen", so die Ordensfrau: "Das Narrativ muss geändert werden: Ja, Gold ist faszinierend, aber es ist auch schädigend."
In ihren Ausführungen verwies Sr. Herzig auf Papst Franziskus und dessen Enzyklika "Laudato si", in der der Papst deutlich die Verantwortung der Kirche für menschengerechte Arbeitsbedingungen und die Bewahrung der Schöpfung hervorhebt. Die Kirche müsse sich als glaubwürdig erweisen und bei sich selbst Reformen umsetzen, "bevor wir andere dafür anklagen, dass sie die Schöpfung zerstören".
Es brauche einen verantwortungsvollen Umgang mit Gold. "Das bedeutet zum Beispiel beim Goldkauf nachzufragen, woher das Gold kommt und ob es faires Gold ist. Oder noch besser: Fragen Sie nach recyceltem Gold! Wir müssen lernen, kritisch nachzufragen."
Kritisch betrachtete Herzig auch Investments in Gold. Diese seien aus finanzieller Sicht für konservative Anleger wie die Kirche zwar attraktiv, es stelle sich aber die Frage, ob dies angesichts der Ausbeutung der Menschen vor Ort und der Zerstörung der Umwelt zu rechtfertigen sei. Bei liturgischen Geräten müsse überlegt werden, ob die Vorschriften für diese nicht durch sozialethische Kriterien ergänzt werden müssten. "Das fehlt mir. Es kommt derzeit nicht vor, es geht mehr um ästhetische Kriterien", so Sr. Herzig. Bei Restaurationen sollte überlegt werden, ob man Gold gegebenenfalls abschmelzen lassen und für Projekte in anderen Ländern einsetzen könne.
Goldwürfel mit 22-Meter-Kantenlänge
Man unterscheide grundsätzlich zwischen zwei Arten von Goldbergbau: dem großindustriellen Bergbau und dem Kleinbergbau. Beide Arten hätten schädigende Folgen sowohl für die Menschen und ihre Gesundheit als auch für das Land, die Flüsse und die Biodiversität, so die Ordensfrau. Zudem stünden Menschenrechtsverletzungen, gefährliche und ausbeuterische Arbeitsbedingungen sowie Kinderarbeit auf der Tagesordnung. Ein Beispiel: Auf den Philippinen müssten rund 20.000 Kinder bis zu zwölf Stunden in den Minen arbeiten. Große Konzerne würden Jobs, Schulen, Gesundheitsversorgung und Infrastruktur versprechen, was aber nie bei den Menschen vor Ort ankomme.
Wenn man alles Gold, das bisher abgebaut wurde, zusammenfasst, ergibt sich ein Goldwürfel mit einer Kantenlänge von 22 Metern. Das meiste Gold liege jedoch in den Tresoren dieser Welt versteckt, berichtete Sr. Herzig. Ihre Schlussfolgerung: "Wir bräuchten eigentlich kein Gold mehr aus der Erde holen. Wir haben genügend Gold über der Erde zur Verfügung." 47 Prozent des Goldes wird für Schmuck verwendet, 21 Prozent sind private Anlagen und 17 Prozent sind Goldreserven der Zentralbanken.
"Begegnungssaal von Menschen mit Gott"
Sr. Ruth Pucher, Kirchenpädagogin und ausgebildete Kirchenmalerin und Vergolderin, machte mit den Teilnehmenden einen Streifzug durch die Jesuitenkirche und zeigte, wie man mit Blattgold arbeitet. Kirchen seien ein "Begegnungssaal von Menschen mit Gott". In der Jesuitenkirche dominieren "menschliche Farben" wie Rot, Gelb, Grün und das Göttliche komme durch das Gold herein, erklärte Sr. Pucher.
Der Jesuit, Architekt, Bildhauer und Maler Andrea Pozzo war für die Ausgestaltung der Jesuitenkirche im 18. Jahrhundert verantwortlich. Er verwendete Gold, um Akzentuierungen zu setzen. In den allermeisten Fällen seien die Kunstwerke und Gegenstände in den Kirchen eine Vergoldung auf Holz oder Stuck, erklärte Pucher. Neben der Schönheit habe Gold oft auch nützlichen und praktischen Aspekt. So seien etwa Kelche innen vergoldet, denn im Unterschied zu Silber geht Gold mit dem Messwein keine Verbindung ein und verfärbt sich daher nicht.
Das Faszinierende an der Arbeit mit Gold sei u. a. dessen Elastizität, so Pucher: "So reicht schon eine hauchdünne Auflage, um den gleichen Effekt, wie bei Massivgold zu erzielen." Darum sei nicht der Materialpreis, sondern die handwerkliche Arbeitszeit maßgeblich. Der Lehrberuf des Vergolders erfordere besonders viel Übung in der Arbeit mit Blattgold.
Um zu verhindern, dass immer mehr Gold abgebaut wird, sei es wichtig, bereits vorhandenes Gold wiederzuverwenden, stimmt Pucher mit Herzig überein. Der Appell der beiden Ordensfrauen am Ende der Kirchenführung: "Nehmen wir das Gold in seiner Herrlichkeit und in seiner Faszination wahr, aber denken wir beim Betrachten des Goldes an die Menschen, die dieses Gold geschürft haben und noch immer schürfen, die unter dem Goldbergbau leiden. Machen wir uns die Ambivalenz von Gold und die Situation der Menschen bewusst."
Hinter der "weltkirche.tagung" stehen die Koordinierungsstelle (KOO) der Österreichischen Bischofskonferenz und die Ordensgemeinschaften Österreich. Die Weltkirche-Fachtagung fand früher traditionell immer im Juli im meist im OÖ-Stift Lambach statt. Nach der Pandemie wollen die Verantwortlichen die Veranstaltung nun neu positionieren. Künftig soll sie wieder zweitägig, aber nicht im Sommer, sondern im Herbst stattfinden. Mit Wien als Veranstaltungsort soll auch ein neues Publikum hinzugewonnen werden. Der Termin für die Tagung 2023 steht mit dem 6./7. Oktober bereits fest.